Wer seine Arbeit zielstrebig angeht", meint Bernd Nidetzky, "wird seine Ziele auch in anderen Bereichen eher kämpferisch verfolgen!" Zum Beispiel auf dem Tennisplatz: "Da müssten Sie mich mal erleben!" Träumer ist der sympathische 38-jährige Steirer keiner, auch wenn er auf seinen wöchentlichen 20-Kilometer-Läufen Zeit genug zum Bauen von Luftschlössern hat. Aber in der Luft bleiben seine Ideen prinzipiell nicht hängen. Sie werden flugs ins Visier genommen und dann nach kritischer Prüfung im Laufschritt angepeilt.

Diese Haltung brachte den sportbegeisterten Wissenschafter beim Tennis in die Landesliga und beruflich auf eine Professorenstelle am Institut für Biotechnologie an die Grazer TU. Eine Position, die längst auf seiner Liste der zu erreichenden Ziele stand, "denn als Lehrstuhlinhaber hat man den nötigen Spielraum, die eigenen Vorstellungen von seinem Fachgebiet auch umzusetzen". Wie diese aussehen?

"Ich finde, dass in der Biotechnologie die Molekularbiologie noch viel stärker mit der Verfahrenstechnik gekoppelt werden muss", ist Bernd Nidetzky überzeugt. "Bislang wurden diese Bereiche eher unabhängig voneinander erforscht. Eine enge Zusammenführung ist aber nötig, um die Erkenntnisse der molekularen Wissenschaft praktisch nutzbar zu machen." Eine Überzeugung, die sich auch in seinen Forschungsprojekten spiegelt: Indem Bernd Nidetzky beispielsweise den Einsatz von Enzymen zur Herstellung von präbiotischen Oligosacchariden aus Milchzucker untersucht.

Etwas einfacher formuliert handelt es sich dabei um schlichte Kohlenhydrate, die einen nachgewiesen positiven Effekt auf die Darmflora ausüben. Um sie auf industrieller Basis herstellen und schließlich den verschiedenen Milchprodukten beisetzen zu können, müssen allerdings zunächst die entsprechenden biotechnischen Prozesse optimiert werden. Für seine Arbeit an diesem sowohl grundlagen- als auch anwendungsorientierten Projekt bekam Nidetzky im letzten Jahr den Forschungspreis des Landes Steiermark.

Dabei hat alles in Wien begonnen, wo er zehn Jahre lang als Assistent am Institut für Lebensmitteltechnologie der Boku gearbeitet hat. Nach Graz brachte ihn erst der Ruf an seine ehemalige Ausbildungsstätte zurück. Die beiden Sprösslinge und die Gattin sind damit jedenfalls hoch zufrieden, sind doch die Großeltern zum gelegentlichen Babysitten in angenehmer Nähe. Papa Nidetzky dagegen wird zeitweilig von einer leichten Sehnsucht nach der großen Stadt geplagt: "Allein die vielen Kinos vermitteln dort schon ein ganz anderes Lebensgefühl."

Trotzdem wisse er natürlich auch die Vorteile der zweitgrößten Stadt zu schätzen, die er - realistisch betrachtet - bei seinem Arbeitspensum aber ohnehin nicht im vollen Umfang nutzen kann. Denn was neben der Forschung in die Terminplanung Nidetzkys Eingang findet, lässt sich an drei Fingern einer Hand abzählen: die Familie, der Sport und das Lesen englischsprachiger Thriller. (Doris Griesser/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 5. 2003)