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Foto: Reuters/ ALEX HALADA

Zum Teil stehen sie schon in vollem Saft, die Grumbia, zu denen die ungarischen Nachbarn Krumpli sagen, während die Waldviertler, die sich aus klimatischer Not diesbezüglich am allerbesten auskennen, erst später im Jahr sich um ihre Eapfö kümmern können, ungefähr zur selben Zeit, da die Böhmen ihre Bramburi ernten. "In drei Wochen", glaubt Franz Gruber, nachdem er vorsichtig die sandige, wenig Wasser speichernde Erde rund um die Knolle entfernt hat, "in drei Wochen werden die sein." Heurige, die, eben weil sie die ersten sind, einen höheren Preis erzielen.

Im Moment schaut es wirklich ganz gut aus

Im Moment schaut es wirklich ganz gut aus. Die vergangene Woche war feucht, wenigstens eine Woche sollten die Pflanzen damit noch auskommen, dann aber wird Franz Gruber wieder Tag für Tag hinüberschauen zum Wechsel und den vorgelagerten Hügeln der Buckligen Welt, wo die mächtigen Gewittertürme stehen und, wenn der Wind es gnädig meint, ihr Wasser auch nach Draßmarkt herunterschicken in die an sich ja sehr fruchtbare Ebene des Oberpullendorfer Beckens.

Nicht weniger schlimm als die Trockenheit sind die Käfer

Den Acker mit den frühen Erdäpfeln hat Franz Gruber mit einem dünnen, weißen Vlies abgedeckt, das die Verdunstung zurückhält. Das Wild der nahen Esterházy-Wälder - der Herrschaft, wie man nicht nur hier sagt - und der Wind haben dem Tuch zugesetzt, ein Teil des Ackers liegt frei, der Wind trocknet die Erde. Sechs, sieben Zentimeter muss Franz Gruber graben, erst dort ist der Boden noch feucht. Nicht weniger schlimm als die Trockenheit sind die Käfer. Jetzt, im Mai, feiern sie Hochzeit. An der Unterseite der Staudenblätter legt die Käferin dann ihre Eier ab. Unlängst erst hat sich Franz Gruber eine ganze Stunde Zeit genommen, eine dabei zu beobachten. Er, der studierte Theologe, den es vom Schoß der Kirche zurück auf den elterlichen Hof verschlagen hat, wollte einfach wissen, wie lang das für ihn so bedrohliche Geschäft dauert. "Zirka fünfzig Sekunden pro Ei braucht sie", sagt er und zerstört mit einem einzigen Daumendruck die gut halbstündige Anstrengungen der Käferin.

Franz Gruber oder die Käfer

Auf dem Erdäpfelacker ist kein Platz für beide. Entweder Franz Gruber oder die Käfer, die Konkurrenz ist unerbittlich. Auch wenn sich Franz Gruber diesbezüglich selbst eines gewaltigen Vorteils beraubt hat. Gruber ist Biobauer. Und als solcher darf er die Käfer nicht totspritzen wie die anderen - "die Konventionellen", wie er sie nennt. Das einzige Mittel, das er im Käferkrieg zum Einsatz bringen darf, ist eine Lösung mit Bodenbakterien, die dann an seiner statt den Kampf mit den gefräßigen, auf Erdäpfel spezialisierten Käferlarven aufnehmen.

So wie die Käfer ist auch Franz Gruber auf Erdäpfel spezialisiert. Beinahe hätte er es geschafft, sagt er, mit seinen Produkten in der allerersten Liga, in der gehobenen Gastronomie, mitzuspielen. Da habe ein nicht unrenommierter Koch am Hof vorbeigeschaut. Zufällig habe er Grubersche Erdäpfel gekostet, jetzt wollte er selber welche, einfach des Geschmacks wegen, und der Bauer sah sich schon als Lieferant für Spitzenlokale. Das war vor vier Jahren. Dann aber kam die Trockenheit und er selbst damit in Lieferschwierigkeiten. Ein Bauernhof ist, allen europäischen Konzepten zum Trotz, keine Fabrik, in der sich die Produktion bei gleich bleibender Qualität hinauf- und hinunterfahren ließe. Voriges Jahr, da hat es von Mai bis August überhaupt nicht geregnet im Oberpullendorfer Becken, war es besonders arg. Gruber füllte seine 8000-Liter-Gülletonne mit Wasser, "nächtelang bin ich damit übern Acker gefahren, heuer mache ich das sicher nicht mehr", es war nämlich schlichtweg für die Katz, als es im August dann wieder regnete, waren die Grumbia, die Grundbirnen, so verstört, dass sie noch einmal austrieben. "Da kannst du nur noch einackern und schauen, ob was anderes noch wächst."

Die Grausamkeit des Himmels

Was Gruber daran besonders stört, ist nicht so sehr die Grausamkeit des Himmels, der sich offenbar in den Kopf gesetzt hat, gerade das Burgenland - das Land hinter den sieben regenmachenden Bergen - nach und nach zu einer Wüste umzugestalten. Bei den Entschädigungszahlungen habe man ihn einfach über den Kamm der Konventionellen geschoren. "Dass ich weitaus höhere Produktionskosten habe, hat niemanden interessiert", ein pauschales Flächenentgelt war nicht drinnen, denn, so habe es in Eisenstadt geheißen, da könne ja jeder kommen. "Aber genau das ist es ja wohl: Wenn nicht jeder kommen kann, was soll das dann für eine Hilfe sein?"

Jedenfalls war Franz Gruber im Herbst schon dabei, den ganzen Krempel hinzuschmeißen, "ich habe mich wirklich sehr motivieren müssen". Biobauer hin, Biobauer her: Die gute Absicht muss in Einklang mit dem Markt gebracht werden. 58 Hektar bewirtschaftet er jetzt, ab 100 wäre es interessant, ab 150 wäre das ganze ein rationeller Betrieb, der es lohnen würde, "für jeden Arbeitsgang eine eigene, moderne Maschine anzuschaffen, die auch auf die Besonderheiten des biologischen Landbaus austariert ist". Die Bodenverdichtung zum Beispiel oder das Pflügen, bei dem der biologische Bauer ja besondere Vorsicht walten lassen muss. Diese Betriebsgröße ist auch insofern notwendig, als er einen strengen Vierjahreszyklus bei der Fruchtfolge einhalten muss - Winterweizen, Erbsen, Klee, Erdäpfel -, was die Fläche seines Leitproduktes logischerweise auf ein Viertel reduziert.

"Warum sind die Menschen so deppert?"

Noch etwas könnte er sich vorstellen - der Mann, den sein ganzes Theologenleben hindurch und darüber hinaus die eine Frage beschäftigt hat: "Warum sind die Menschen so deppert?" - nämlich: hochspezialisierte Kooperation. Er denkt sich das so: "Ich spezialisiere mich auf die Erdäpfel und bearbeite mit meinen Maschinen und meinem Know-how die Erdäpfelflächen anderer Bauern im Bezirk. Im Gegenzug machen die bei mir zum Beispiel mit Erbsen das Gleiche." Da und dort hat er das in Ansätzen schon durchgeführt. Teils freilich mit recht peinlichem Erfolg, weil er dem Kollegen erklären musste, warum die Trockenheit die Grundbirnen halt mehr trifft als andere Früchte. Die Bauernschaft ist ja nur zu einem geringen Teil eine Solidargesellschaft. Um nicht das Wort von der gegenseitigen Missgunst und des grundsätzlichen Misstrauens zu strapazieren.

Selbstvermarktung

Die guten Ratschläge beamteter Bauernvertreter hat er jedenfalls schon zur Genüge gehört. Zum Beispiel den über die Selbstvermarktung. Die Bio-Erdäpfel, die hier seit Anfang der Neunzigerjahre gezogen werden, hatten bald einen so guten Ruf, dass er einen eigenen Bioladen einrichtete, in dem nicht nur seine Grumbia, sondern auch die Bioprodukte anderer Kollegen angeboten wurden, bis hin zum Bio-Hendl und Bio-Truthahn. "Aus einem Umkreis von 60 Kilometern kamen die Kunden zu uns." Dann aber kam Billa und seine Ja-natürlich-Linie. Und jetzt steht der Laden leer.

Das alles ist - no na - auch eine politische Frage. Die Frage, die sich Franz Gruber dabei stellt, ist freilich: Wie eine Antwort darauf geben? "Schwer zu sagen", sagt Franz Gruber. Und das, obwohl er selbst ein leibhaftiger Politiker ist. Wenn man mit ihm ins Reden gekommen ist, muss man sich zwar immer wieder selbst an diesen Umstand erinnern, aber immerhin ist er tatsächlich der Bundesvorsitzende der "Grünen Bauern und Bäuerinnen". Eines jener seltsamen Exemplare also, von denen man in der Stadt manchmal sehr wortgewandt und zuweilen auch vorwurfsvoll munkelt, es gebe sie gar nicht. ( Wolfgang Weisgram, DER STANDASRD Printausgabe 31.5.2003)