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Die sozialen Proteste in Israel dürften den Nahost-Konflikt nicht ausklammern. Soziale Gerechtigkeit müsse allumfassend gedacht werden, so ein Teilnehmer bei "Let's Talk".

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Die Meldung, dass Shalit freikommen soll, verfehlte ihre Wirkung bei den Teilnehmern nicht. Hitzige Diskussionen und Gefühlsausbrüche waren die Folge.

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"Mahmud Abbas muss das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge aufgeben", fordert der ehemalige Geheimdienstchef Ami Ayalon auf einem der dutzenden Tische, auf denen Dienstag in Tel Aviv unter dem Titel "Let’s Talk" über Hürden und Perspektiven eines Friedensabkommens zwischen Israel und den Palästinensern diskutiert wurde. "Was sollen wir schon verhandeln, wenn es keinen palästinensischen Partner gibt. Schau dir nur die radikale Hamas in Gaza an", fährt ein Teilnehmer Ayalon ins Wort. Die Diskussionen an diesem Abend fielen mitunter sehr heftig aus. Immer wieder überschlugen sich die Emotionen. Auch weil Teilnehmer aus allen politischen Richtungen mitgemacht haben. Das Spektrum reichte von ganz links bis ganz rechts.

Hinter diesem "Speed-Dating für den Frieden" steht die Idee, Politiker, Journalisten und Künstler mit Normalbürgern im öffentlichen Raum ins Gespräch zu bringen. Mitmachen konnte jeder. Die Themen der Diskussionsrunden reichten von Fragen wie der möglichen Evakuierung von Siedlungen hin zur Rolle von Frauen im Friedensprozess. Politik sollte dabei nicht den Politikern überlassen werden. "Wir müssen die Lösungen von unten nach oben bringen", erklärt der Chef von One Voice Israel, Tal Harris, zum Event. Dabei wollte man durchaus auch die Tabus der Sozialproteste brechen, die bisher Themen um den Konflikt vermieden haben. "Die Protestrevolution hat das Gesicht Israels verändert. Aber ohne die harten Nüsse der politischen Themen zu knacken, wird es auch keine soziale Gerechtigkeit geben."

Auch Rami Rabayah von One Voice Palästina erinnerte die anwesenden Israelis daran, dass "fünfzig Prozent des Geldes, das in Siedlungen fließt, von israelischen Steuern bezahlt wird." Daraufhin unterbricht ihn ein Teilnehmer und ruft ihm zu: "Das ist mein Land mit meinen Grenzen, nicht deines." Sein wichtigstes Ziel sei, einen palästinensischen Staat aufzubauen, erklärt Rabayah dann, und erntet damit viel Applaus.

Auf einem der rund 30 Tische wurde über den von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit diskutiert. Doch damit, dass an diesem Abend bei den Verhandlungen um dessen Freilassung ein Durchbruch erreicht wird – Shalit soll nächste Woche frei kommen – hatte niemand gerechnet. Spontane Gefühlsausbrüche und hitzige Diskussionen folgten. „Ich unterstütze die Freilassung von Gilad im Austausch für palästinensische Gefangene, als Mutter und als israelische Parlamentsabgeordnete", ließ etwa Nino Abasadze von der Kadima-Partei verlauten. Ein aufgebrachter Mann wäre ihr deswegen fast an die Gurgel gegangen. "Wir dürfen diese palästinensischen Terroristen nicht freilassen", schreit er Abasadze aus nächster Nähe ins Gesicht und gestikuliert dabei wild mit den Armen.

Unter den Kooperationspartnern von One Voice waren neben Peace Now auch die rechtsgerichtete Gruppierung Im Tirtzu und die Bewegung "Blau-Weiße Zukunft". Letztere setzt sich besonders dafür ein, die israelische Gesellschaft auf eine mögliche Evakuierung von Siedlungen als Teil eines Friedensabkommens vorzubereiten. "Wir nennen diesen Prozess Absorptionsplan. Der Schlüssel sind Anreize und Förderungen für all jene, die freiwillig ihren Wohnsitz in einer Siedlung aufgeben und nach Israel umziehen wollen", erklärt die Generalsekretärin des Vereins. Eine ganz andere Meinung hat der Sprecher von Im Tirtzu. Siedlungen müssen in jedem Fall bleiben, genauso wie Israels Kontrolle über das Jordantal an der Grenze zu Jordanien. "Die Sicherheit Israels ist wichtiger als alles andere", meint er. (Andreas Hackl/derStandard.at, 13.10.2011)