Jetzt hat sich also die nächste Gruppe von älteren Herren zusammengefunden und legt den Finger auf einen anderen wunden Punkt des erstarrten politischen Systems.

Busek, Voggenhuber, Radlegger und Kollegen finden, dass es reicht, wie mit Demokratie in unserem Land umgegangen wird und wollen ein Volksbegehren initiieren. Die Zeit jubelt über die " Wutsenioren" und Peter Pelinka steigt gleich mit aufs Schlachtross.

Gut so, dieses Land verdient und braucht mehr Demokratie. In diesem Sinne hat Volker Kier Recht, wenn er in seiner Erwiderung ("Demokratiereform: Wann, wenn nicht jetzt", 8.10.) auf Wolfgang Müller-Funk dessen resignativer Grundhaltung klare Worte entgegensetzt. In Zeiten, in denen die Manipulation der öffentlichen Meinung so leicht ist, in denen Klubchefs im Parlament über den Klubzwang ihre Marionetten tanzen lassen können, in denen kein/e BürgerIn weiß, wer sie/ihn vertritt und in denen Volksbegehren mit so vielen Schikanen versehen werden - in diese Zeiten bedarf es neuer, mächtiger Instrumente, das Volk als Souverän zu Wort kommen und gestalten zu lassen.

Verpflichtende Volksabstimmungen nach erfolgreichen Begehren scheinen ein - durchaus österreichischer -- Weg zu sein, erfordern aber zwei Plebiszite, um Recht zu schaffen. Die Volksinitiativen in der Schweiz könnten als besseres Vorbild gelten.

So weit so gut gemeint. Was die empörten Senioren aber offenkundig übersehen, ist die Notwendigkeit, eine breite Basis zu schaffen, bevor sie starten. Wer jemals eine Kampfsportart betrieben hat, weiß, dass Rot zu sehen und loszuschlagen selten eine gute Taktik ist, um zu gewinnen.

Wenn Kier von einem direkten und persönlichen Anstoß von "unten" spricht, können wohl nicht im Ernst die Herren in vormals mächtigen Positionen gemeint sein.

Nein, auch in Österreich gibt es eine sogenannte Zivilgesellschaft. Sie besteht aus den Organisationen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten dafür einsetzen, Schritte in Richtung einer gerechteren und nachhaltigeren Welt zu schaffen. Sie wird ergänzt von kritischen Geistern, die in Institutionen und Medien für eine werte-orientierte Gesellschaft kämpfen.

Und sie hat das Potenzial, viele junge Menschen - in Schulden, Universitäten und Basisgruppen - zu motivieren und zu ermutigen, wenn sie nur von den richtigen Leuten auf die richtige Art gefragt würden.

Ohne die Mitwirkung dieser Menschen wird eine Initiative für eine Stärkung der Demokratie scheitern. Und das können wir uns nicht leisten. - Was nötig ist, ist eine schrittweise Transformation unserer Gesellschaft an ihren sensibelsten Stellen - im Rahmen einer Bewegung, die von einer breiten Allianz von Menschen vorangetrieben wird.

Das Unterschreiben des Bildungsvolksbegehrens, das von zu vielen überzeugten Menschen gewollt und voran getrieben wird, um nur ein Androsch-Volksbegehren zu sein, ist die erste Chance - wenn nur der Druck auf die Politik danach über eine breite "Initiative Bildung" weiter hoch gehalten werden kann. - Ein Volksbegehren für die Rückeroberung des demokratischen Raums muss ein zweiter logischer Schritt sein - unter den oben genannten Voraussetzungen.

Und wie wärs im Wahljahr 2013 mit einem dritten gemeinsamen Aufstehen gegen Fremdenhass und Ausgrenzung, für den Fall, dass sich das politische Klima in den nächsten Monaten in diese Richtung weiter aufheizt? Vielleicht schon mit einem neuen direkt-demokratischen Instrument.

Dank an die Wutsenioren. Ihr habt Euch empört, habt nichts mehr zu verlieren, und könntet in Euren Netzwerken für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Günther Nenning würde wahrscheinlich sagen: 'Seids gscheit jetzt, setzt euch zam und hörts zu'. Wer weiß, was dann möglich ist, um dieses Land zu einer wirksameren Demokratie zu machen. (Bernhard Drumel, DER STANDARD; Printausgabe, 14.10.2011)