In diesen Wochen lässt sich die tiefe Weisheit besonders klar erkennen, die dem Allparteienbeschluss zugrunde lag, die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Die staatstragende, also höchst ehrbare Begründung dieser Idee beruhte auf der Hoffnung, eine Regierung könnte dann mit einer längeren Perspektive arbeiten und müsste nicht immer fürchten, bei überstürzten Wahlen abgestraft zu werden, wenn sie in zügiger Erledigung notwendiger Vorhaben möglicherweise die eine oder andere Wählergruppe verärgerte. Und die Wähler hätten länger Zeit, sich den Mut und die Entschlossenheit der sie Regierenden auf der Zunge zergehen zu lassen, ohne sich wegen der einen oder anderen Kränkung vorzeitig zu übereilten Entscheidungen an der Urne hinreißen zu lassen.

Ganz scheint diese Rechnung bisher nicht aufgegangen zu sein. Aber noch besteht kein Grund zu totaler Resignation. Das wäre sicher anders, stünden nach dem alten politischen Mondkalender Nationalratswahlen schon nächstes Jahr an und der herrschende Stillstand ließe sich nur als die Ruhe vor einem schon wieder anlaufenden Wahlkampf, das heißt, als reine Zeitvergeudung deuten. So aber wird erst in zwei Jahren gewählt, und nur hartnäckige Zweifler verschließen sich der Hoffnung, diese Spanne könne ausreichen, die Leistungen der Regierung noch immer in strahlendem Licht erscheinen zu lassen, verantwortungsbewusstes Inserieren vorausgesetzt.

Bedauerlich, aber dieser Zweifler werden immer mehr, der Glaube an die förderliche Wirkung einer fünfjährigen Legislaturperiode auf die Arbeitsfähigkeit einer Regierung schrumpft zur Zeit dramatisch. Den geringsten Grund zu zweifeln hätten noch die Mandatare der Oppositionsparteien, die in merkwürdigem Gegensatz zu ihrer Berufung, aber in der Aussicht, selber statt vier ungefährdet fünf Jahre absitzen zu können, einer Regierung die Schonzeit ausdehnten, deren Ende sie nun bereits vor dem vierten Jahr für segensreich hielten.

Schon mehr Grund haben jene freischaffenden Wutbürger, die, zu Unrecht als Polit-Ahnln diffamiert, nun dieselbe Bevölkerung zu direktdemokratischen Aktivitäten gegen die Obrigkeit mobilisieren wollen, die ohne Mucks hingenommen hat, dass die Parteien sie ohne viel Federlesens in ihrem aktiven Wahlrecht beschneiden. Was man sich da von einem Aufstand der Massen für mehr Mitbestimmung bei einer ohnehin gegen sechzig Prozent tendierenden Wahlbeteiligung erwarten darf, wird man sehen, wenn "Mein Österreich" diese Regierung überlebt.

Und obwohl die Regierung noch zwei Jahre Zeit hat, den Nutzen einer fünfjährigen Amtszeit in kühne Taten umzusetzen, werden jetzt auch die Landeshauptleute nervös. Länderchefs rütteln die Regierung wach, Länderfürsten rüsten zur Kraftprobe im Kanzleramt, Landeshauptleute machen Front gegen den Reformunwillen der Bundesregierung - so hallte es aus Kaprun. Voves artikulierte ihre Angst: "Ab Mitte 2012 herrscht wieder voller Wahlkampf, dann ist es vorbei." Das muss nicht sein. Man könnte noch immer die Legislaturperiode auf sechs Jahre verlängern. Die Opposition wäre dabei. (DER STANDARD; Printausgabe, 14.10.2011)