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Kindererziehung kostet Karriere. Im Handel fallen MitarbeiterInnen beim Gehalt um Biennalsprünge um. Höhere Löhne bergen aber auch Risiken.

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Wien - Die Forderung der Gewerkschaft nach einer vollen Anrechnung der Karenzzeit als Berufsjahre sorgt in der Branche für heftige Reaktionen. Aber nicht alle HändlerInnen schießen dagegen scharf. Überraschend auf Seite der ArbeitnehmerInnen schlägt sich Robert Hartlauer. Mehr als die Hälfte seiner gut 1360 MitarbeiterInnen sind Frauen, sagt er. Er sei für die komplette Anrechnung ihrer Karenz, "das muss finanzierbar sein - alles andere ist gesellschaftlich gesehen Wahnsinn".

Er selbst habe drei Töchter. Und es gehe ihm um die Aufwertung des Stellenwerts der Kindererziehung. Man entwickle sich in dieser Phase stark weiter, er sehe keinen Grund, das nicht beruflich anzuerkennen. Als ein klar positives Signal wertet es auch der Handelsexperte der Wirtschafts-Uni Wien, Peter Schnedlitz. Zumal es in diesem Fall um Frauen ginge, die ohnehin schlecht bezahlt würden: Sie seien es, die im Handel großteils die Knochenarbeit erledigten und hohe Flexibilität bewiesen.

Personalkosten gesunken

Darüber hinaus seien die Personalkosten in Relation zum Umsatz gesunken, rechnet Schnedlitz vor. Zum einen sei die Produktivität der MitarbeiterInnen gestiegen, zum anderen gebe es mehr auf Diskont ausgerichtete Vertriebstypen. Bei den Lebensmittelketten etwa mache der Personalkostenanteil mittlerweile zehn Prozent aus, bei Diskontern weniger als fünf Prozent. Bei Textilkonzernen wie H&M betrage er rund 15, bei FachhändlerInnen bis zu 25 Prozent des Umsatzes.

Schnedlitz hält eine bessere Anrechnung der Karenz für den Einzelhandel jedenfalls für leistbar.

Unfreundliche Geste gegen Frauen

Ansonsten hagelt es quer durch die Branchen Absagen auf breiter Front. "Wir haben Margen von ein bis drei Prozent", sagt der Wiener Buchhändler Michael Kernstock, noch höhere Personalkosten wären ein harter Schlag. Es sei keine unfreundliche Geste gegen Frauen, die rund 80 Prozent des Personals stellten, "es gibt jedoch nichts mehr zu verteilen". Neue Kostenbelastungen sind undenkbar, sagt auch Josef Pretzl, Thalia-Chef und Gegenspieler der kleinen HändlerInnen. Er sehe in den Geschäften andernfalls den Kundenservice gefährdet.

Er verstehe den Theaterdonner nicht, meint Manfred Wolf, der ab kommenden Mittwoch seitens der ArbeitnehmerInnen die Kollektivverträge für 450.000 Handelsbeschäftigte verhandelt. Es gehe hier um maximal drei Biennalsprünge, die in der Industrie teils anstandslos gezahlt würden. Ziel sei, die strukturelle Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen zu reduzieren. Schuld an der weit auseinanderklaffenden Gehaltsschere sei, wie neue Studien belegten, nicht die Teilzeitarbeit, sagt Wolf.

Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, warnt bei den Karenzen aber vor einem Schuss aus der Hüfte. Derzeit wisse keiner, was das wirklich koste. Wichtiger sei eine Gesamtreform des Kollektivvertrags: In das Paket gehörten Themen rund um Karenz und Vordienstzeit ebenso hinein wie flachere Lebenseinkommenskurven. Sonst nämlich stelle der Handel noch weniger Leute über 40 ein als bisher, ergänzt ein hochrangiger Konzernmanager.

Hartlauer sieht das entspannter. Wichtig für ihn sei, dass, wer viele Jahre weg vom Job sei, zeitweise Schulungen mache, "und Frauen haben damit kein Problem". (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe 15./16.10.2011)