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Ein Prozess in Oberösterreich gibt Einblick in unorthodoxe Geschäfte rund um Nummernkonten.

Foto: APA/BPD Wien

Wien - Im Strafgericht Ried im Innkreis wird derzeit ein interessanter Finanzkrimi verhandelt. Der Plot: Langjährige Angestellte einer Volksbank begeht Malversationen auf diskreten Nummernkonten ihrer Kunden. Als die Sache bankintern auffliegt, gesteht sie, macht den Schaden wieder gut. Aber: laut ihrem Arbeitgeber nicht zur Gänze.

Nun laufen ein Arbeitsgerichtsprozess und ein Strafverfahren wegen Verdachts auf schweren gewerbsmäßigen Betrug. Die grenznahe Bank behauptet einen Schaden von 1,33 Mio. Euro und offene Zahlungen der Ex-Bankerin von 715.000 Euro; das Institut hat die Kunden entschädigt. Wie hoch der Schaden wirklich ist, erhebt nun ein vom Gericht bestellte Banksachverständiger. Detail: Die Bank war damals nicht gegen derartige Schäden versichert, daher muss sie "die Kosten selbst tragen", hieß es vor Gericht.

Aus den Einvernahmen der Angeklagten und der (unter Wahrheitspflicht stehenden) Zeugen lässt sich vor allem eins nachzeichnen: ein Sittenbild rund um Nummernkonten, Wertpapierdepots, unorthodoxen Geldübergaben und viel Diskretion. Gleich vorweg: "Die Bank hält alle gesetzlichen Vorschriften ein", so der Anwalt des Instituts.

Im Kern geht es um diskrete Nummern- und Wertpapierkonten, von denen es laut dem Chef der internen Revision des Instituts 3500 Stück gibt. Viele (aber nicht alle) Kunden kommen aus dem nahen Deutschland. Bankintern heißen die Konten "540er", entsprechend der Zahl, mit der jede Kontonummer beginnt. Zu einem 540er gehört je ein Wertpapierdepot und ein Verrechnungskonto, auf dem die Erlöse aus Wertpapierverkäufen landen. Ein- und Auszahlungen können nur bar vorgenommen werden; Überweisungen gibt es nicht. Für Einzahlungen bekommt der Kunde einen Beleg, für Auszahlungen reicht das Losungswort.

Geld auf Verdacht

Laut der Angeklagten liefen die Transaktionen so: "Wir hatten die Kunden im Büro sitzen , auf den Beleg wurde das Losungswort geschrieben. Dann ging der Kundenberater zur Kassa, behob das Geld und übergab es im Büro dem Kunden." Auf Nachfrage des Richters: "Eine Dienstanweisung, wie Kundengelder ausbezahlt werden, gab es nicht." Stimmen die Angaben, so kam es "auf diesen speziellen Konten" auch Vorweg-Auszahlungen, bevor Wertpapierverkäufe realisiert waren: "Es ist oft so gewesen, dass der Kunde das Geld sofort mitgenommen hat, obwohl es noch nicht am Konto war." Auch Geschäfte "nach Schalterschluss" habe es gegeben. Denn, so die Angeklagte, die nicht unter Wahrheitspflicht steht: "Wir haben in dieser Kontenserie sehr viele Devisenausländer und diese Kunden hatten immer Angst, dass sie sich in der Bank sehen lassen müssen. Das sind Gelder, die an der Steuer vorbeigeschleust wurden, und die Kunden haben angerufen. ... Ich solle Geld herrichten und sie würden am Abend vorbeikommen. Sie sind auch eher hinten bei der Bank hereingekommen." Das Losungswort für die Abhebung habe dann sie auf den Beleg geschrieben.

Der Bankchef bestätigte die Hintereingangs-Szenerie in seiner Zeugenaussage: "Sicher kann das vorgekommen sein. Dann ist aber, als der Kunde das Geld geholt hat, die Unterschriftsleistung erfolgt und am nächsten Tag ist der Beleg beim Kassier gewesen."

Banker, die für ihre Kunden mit deren Losungsworten hantieren; Kunden, die Bargeld "paketweise" und im Koffer herbeischaffen (wie die Angeklagte erzählte), Geschäfte beim Hintereingang - das alles dürfte nicht so ungewöhnlich sein. Zeuge Bankchef: "Wenn Sie ein Wertpapierdepot ganz diskret haben, dann werden Sie sich nicht beim Schalter anstellen und sagen, Sie wollen ... 300 Euro abheben. Da brauche ich keine Diskretion, da brauche ich kein Nummernkonto und überhaupt nichts. Da ist es gescheiter, wenn ich ein Girokonto habe." (Renate Graber, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 15.10.2011)