2115 Postings bis Samstag um 16 Uhr: Der Blogeintrag übers "Nägerbrot (-:" von vergangener Woche hat eine wahre Lawine an LeserInnen-Reaktionen zur Folge gehabt. Vom Thema Rauchverbote einmal abgesehen, regt Standard-Online-LeserInnen offenbar nichts so sehr auf - und damit zum Posten an - wie Artikel oder Kommentare über Rassismen in der Sprache.

Besonders eifrig waren die "Stimmt nicht"-PosterInnen. Jene, die an dem Produktnamen, der von einer Leserin in einem Geschäft in der Wiener City entdeckt worden war, überhaupt nichts auszusetzen finden. Diese Message verkündeten sie hundertfach: Die Bezeichnung "N...brot" mit "e" für Schokolade mit Erdnüssen sei uralt. Es handle sich doch bloß um die Bezeichnung einer Nascherei. Was könne an so etwas schon rassistisch sein?

Die Umbenennung des süßen Zeugs unter Verwendung des Umlauts "a" und des Smileys wiederum bezeichneten viele als gelungenes Beispiel von Ironie. Und meinten außerdem, das N-Wort sei bis vor wenigen Jahren ohne jede Beleidigungsabsicht für Menschen dunkler Hautfarbe verwendet worden - so what? Ein Wort ändere seine Bedeutung über die Zeiten doch nicht.

Das 21. Jahrhundert

"Viele Leute sind im 21. Jahrhundert offenbar noch nicht angekommen", kommentiert dies Dieter Schindlauer, Menschenrechtskonsulent und Ex-Obmann der Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen des Rassismus, Zara. Die Antidiskriminierungsgesetze, die in der gesamten EU gelten und unter anderem Benachteiligung durch Sprache verbieten "verlangen von den Menschen viel", meint er. Etwa, bereit zu sein, Gewohntes - auch bisher gewohnten Sprachgebrauch - in Frage zu stellen.

Warum? Um Konflikte durch aggressiven oder undurchdachten Wortgebrauch zu vermeiden - und ein friedliches Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft zu ermöglichen, zu der Österreich in den vergangenen drei Jahrzehnten geworden ist. In der, zum Beispiel, auch Schwarze als gleichberechtigte Mitbürger leben. 

Denn das N-Wort verbreitet Aggression, sagt Zara-Beratungsstellenleiter Wolfgang Zimmer: "Es hat eine kolonialistische Geschichte, eine, die mit Ausbeutung und Gewalt einhergegangen ist". Es sei untrennbar mit rassistischen Theorien verbunden, die im 19. Jahrhundert aufgekommen sind - und die eine "überlegene", weiße von anderen "unterlegenen Rassen" unterscheiden. Wissenschaftlich sei der Rassismus zwar schon lang verworfen worden. Doch politische Rechte und Rechtsrechte bestünden auf den durch ihn geprägten Wortgebrauch.

Daher, so Zimmer: "Das N-Wort hat den Beigeschmack eines Schimpfwortes". Das sei auch bei der Verwendung der Produktbezeichnung „N...brot" mit "e" der Fall - sowie beim lautmalerischen und als "witzig" gekennzeichneten "Nägerbrot (-:.

Polemik

Im "Nägerbrot (-:"-Forum hingegen wähnten die KämpferInnen für das N-Wort über manche Strecken, der Kritik an der rassistischen Bezeichnung durch bloße Polemik den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Versuchten, die Kritik in Lächerliche zu ziehen, sie als unwichtig abzutun.
Gegen solche Fehldarstellungen aufzutreten sei zentral, betont der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell. Denn in Internetforen wie dieses habe sich inzwischen „ein Teil der politischen Diskussion verlagert, die früher etwa bei Veranstaltungen oder anlässlich von Demonstrationen stattgefunden hat". Und wie früher gehe es auch heute „um die Frage, wer in einem solchen öffentlichen Diskurs das Wort führt. Wer die Deutungshoheit hat. Das ist eine Auseinandersetzung, der man nicht ausweichen sollte."

In diesem Sinn: Danke an alle antirassistischen PosterInnen, die sich in die "Nägerbrot (-:"-Diskussion eingeklinkt haben! Und LeserInnen, die sich angesichts der vielfach niveaulosen Postings am liebsten abwenden würden, sei noch der Gedanke mit auf den Weg gegeben: Wegschauen nützt nichts, denn was sich hier manifestiert, ist auch ein Abbild von Einstellungen, die zu Wahlerfolgen der FPÖ führen. (Irene Brickner, derStandard.at, 15. Oktober 2011)