
Kein Ausweg aus der Produktion von Kunst und Krempel: Marlene Streeruwitz' "Entfernung" im Schauspielhaus.
Wien - Etwas seltsam ist es, wenn während des Einlasses in den Hauptsaal des Wiener Schauspielhauses verkündet wird, wie großartig das der Aufführung zugrundeliegende Werk sei: Entfernung von Marlene Streeruwitz. Man darf den Besuchern wohl eine eigene Meinung zutrauen.
Streeruwitz polarisiert als politischer Mensch und als Autorin, deren Stil ihr für den 2006 erschienenen Roman Entfernung teils herbe Kritik einbrachte. In einem Stakkato aus Kurzsätzen wird detailbesessen von Selma Brechthold erzählt, die durch London stolpert. Als Dramaturgin der Wiener Festwochen gekündigt und vom Mann verlassen, misslingt ihr Vorhaben, ein Theaterprojekt zu verwirklichen, und sie gerät in den Terroranschlag auf die U-Bahn vom Juli 2005.
Der Text ist keine Auseinandersetzung mit dem Terror der Nullerjahre, sondern eine aus feministischer Sichtweise formulierte Kritik am Kulturbetrieb als Schlachtfeld des eigentlich zu konfrontierenden Kapitalismus. Dementsprechend beobachtet man in der Inszenierung von Samuel Schwarz (Regie) und Ted Gaier (Musik) die Darsteller zunächst nur bei der Herstellung von Kunst und Krempel. Abwechselnd unterbrechen Vincent Glander, Veronika Glatzner und Barbara Horvath ihre Arbeit, um Romankapitel vorzustellen. Das ist verbraucherfreundlich, aber nicht rasend spannend.
Mit der Zeit finden die Schauspieler jedoch zu vermeintlich eigenen Worten, beginnen sogar mit Rollenspiel, in denen die Unsitten der Kulturproduktion attackiert werden. Die Inszenierung wird hier zu einem gleichermaßen aus Verweigerung wie auch Konfrontation bestehenden Angriff auf die Kulturindustrie erkennbar. Dabei sind sich Schwarz und Gaier wohl bewusst, dass sie ein Teil dieser Maschinerie sind, und zeigen ihre Darsteller zuletzt als bloße Erfüllungsgehilfen eines aus dem Off sprechenden Aufführungsleiters.
Diese Kenntlichmachung ist aber keine wirklich befriedigende Lösung jenes vielleicht allzu gordischen Widerspruchknotens. Am Ende kreisen die Theatermacher doch nur ohne tatsächliche Möglichkeiten eines Auswegs um sich selbst. (Dorian Waller/ DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2011)