Mit seiner Prothese, die Erich Diestinger selbst entwickelte und baute, ist er in der Lage bei Trial-Läufen mitzufahren.

Foto: Erich Diestinger

Trialfahren ist die Königsklasse des Offroad-Sports. Es geht dabei darum Hindernisse zu überwinden, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren. Umso bemerkenswerter ist es, dass Erich Diestinger diesen Sport ausübt.

Foto: Erich Diestinger
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Foto: Erich Diestinger

Will man die herausragendsten Österreichischen Trialfahrer aufzählen, kommt man mit einer Hand aus. Walther Luft, Trial-Legende der ersten Stunde, Richie Hitzler, 4-facher Trial-Staatsmeister, Erich Brandauer, 12-facher Trial-Staatsmeister und inzwischen als Tower of Power eine gewichtige Enduro-Legende und Erich Diestinger. Letzterer ist 56 Jahre alt und heuer bereits 32 Wettbewerbe gefahren – das Trial in Lunz am kommenden Wochenende und ein Wettbewerb mit historischen Trial-Maschinen in Belgien liegen heuer noch vor ihm.

Bei den Veranstaltungen des Österreichischen Trial Sport Verbands kann Erich Diestinger aber nur starten, weil er nicht nur gut fährt, sondern auch Erfinder und begnadeter Handwerker ist. Dabei ist schon Letzteres beachtlich, leidet Erich Diestinger doch unter dem Schnürringsyndrom, bei dem vor der Geburt Körperteile durch Bänder in der Fruchtblase abgeschnürt werden. In seinem Fall war es die linke Hand.

Rennfahrer und Prothesenbauer

‟Ich bin damit aufgewachsen", sagt er heute, ‟und es war mir immer ein Bedürfnis, alles selber zu machen." Darum hat er auch die Prothese, die er braucht, um in der Nationalen Meisterschaft des Trialsports mitfahren zu können, selbst entwickelt und gebaut. ‟Inzwischen habe ich ein ganzes Museum von Prothesen", erklärt der Niederösterreicher, der ausgebildeter Allgemeinmechaniker ist und dann in Abendkursen die HTL für Maschinenbau abschloss. ‟Mittlerweile fahre ich die vermutlich zehnte Generation meiner Prothese." Seine ersten Prothesen entstanden Ende der 90er-Jahre, als er zum zweiten Mal der Sucht des Zweirad-Sports verfallen ist.

‟Schon als Kind, im Alter von neun Jahren, habe ich angefangen, Motorrad zu fahren, als meine Freunde die ersten Mopeds anzahten. Damals waren Mopeds, die 50 Schillinge kosteten, für uns noch viel wert. Ich nahm mir die Stanglpuch meines Großvaters und fuhr mit meinen Freunden ins Gelände. Repariert haben wir damals schon alles selbst", sagt Erich Diestinger.

Motocross in der Jugend

Mit 16 Jahren steigt er in den Motocross-Sport ein. Erst mit einer 50 Kubikzentimeter Eigenbau, danach mit einer 125 Kubikzentimeter KTM Penton im Niederösterreich-Cup. Zu dieser Zeit kam er auch das erste Mal mit dem Trialsport in Kontakt. ‟Ich kaufte mir eine Ossa, später eine Fantic und bin damit ein wenig gefahren", erinnert sich Erich Diestinger. Prothese hatte er damals noch keine, klammerte sich mit seinem Stumpf an den Lenker und musste den Lenker auslassen, um die Kupplung ziehen zu können.

Nach einem schweren Sturz, wegen eines Defekts an einem Motorrad, hängt Erich Diestinger das Motorradfahren an den Nagel und widmet seine Zeit seiner Gattin, seinen beiden Söhnen und der Abendschule. Zumindest für fast 20 Jahre – bis er eine Hallentrial-Veranstaltung in Wien besucht, sich bald wieder ein Motorrad kauft und seit dem Jahr 2000 auch wieder Wettbewerbe fährt. Nur diesmal eben nicht Motocross sondern Trial, die Königsklasse des Motorradfahrens, bei der es darum geht, in extrem unwegsamem Gelände zu fahren, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren.

In den zwanzig Jahren der Abstinenz hat sich der Trialsport gewaltig weiterentwickelt. Bessere Maschinen machten neue Fahrtechniken möglich, schwierigere Strecken standen im Rennkalender, und seine Hilfsmitteln – wie die Knie an den Tank zu pressen, um den Körper am Motorrad zu halten – reichten nicht mehr aus, um mitfahren zu können.

Halten und kuppeln

‟Um mich gleichzeitig am Motorrad zu halten und die Kupplung bedienen zu können, musste ich mir etwas einfallen lassen." Erich Diestinger entwickelte eine Prothese, in die er seinen Arm steckt, sich durch das Anwinkeln des Handgelenks festhält und durch eine Drehungen des Arms die Kupplung bedient. ‟Die Umgewöhnung war schwer. Vor allem weil ich nun mit der Prothese erstmals gerade am Motorrad stehen konnte. Früher musste ich ja wegen des kurzen linken Arms schief drauf stehen."

Fertigte er die erste Prothese noch aus Baustahl, besteht die aktuelle aus Kunststoff, Kevlar, Carbon und Polyester. Die Drehachse ist kugelgelagert. ‟Die Prothesen baue ich vollkommen selbstständig in meiner Garage", erzählt Erich Diestinger. Das heißt auch, er fräst, dreht, bohrt und laminiert mit nur einer gesunden Hand.

Eine Frage des Muts

Damit ist er heute in der Lage, alle Sektionen zu fahren – ‟was ich mich halt traue. Aber das hängt mit meinem Alter zusammen." Lediglich das Schnalzen lassen der Kupplung geht mit der Prothese nicht so gut, weil er den Arm nicht so schnell drehen kann, wie eine Kupplung zuspringt, wenn man sie abrupt loslässt.

Erich Diestinger hat inzwischen auch schon eine Prothese für einen Kärntner gebaut. ‟Mein Freund hat seinen Arm unterhalb des Ellenbogens verloren, und ich habe ihm eine Prothese hergestellt, mit der er nun wieder ungehindert Radfahren kann." Für weitere Personen baute er aber noch nicht. ‟Ich biete es gerne an, bis jetzt kam aber noch keiner zu mir. Auf der anderen Seite ist das aber eh in Ordnung, weil mir die Entwicklung und Herstellung viel Zeit und Geld kostet." Und für so eine Prothese Geld zu verlangen, hat er sich bis heute nicht vorstellen können.