Von New York über Tokio bis nach Wien gehen dieser Tage Menschen auf die Straße und protestieren gegen den Kapitalismus und die unfähige Politik. Gut so! Leider wird sich wie beim letzten Mal der Kapitalismus wieder nicht angesprochen fühlen. Und die Politik? Die Politik wird auch weiterhin auf ihre Doppelstrategie des kleinsten gemeinsamen Nenners in Verbindung mit dem Beharren auf die eigenen Interessen setzen.

Empörung als Mittel der direkten Demokratie?

Direkte Demokratie in Form von Demonstrationen und Zeltlagern auf Hauptverkehrsstraßen, also "civil disobedience" in seiner gewaltfreien Form? Warum nicht! Ich halte das heutzutage jedenfalls für ein legitimes Mittel den Unmut über die derzeit herrschenden Zustände in der Welt kundzutun. Es ist die Abstimmung "mit den Füßen" und der Ausdruck des verfassungsrechtlich garantierten Bürgerrechtes auf freie Meinungsäußerung - solange das halt ohne Schädigung von Interessen, oder noch schlimmer, von Leib und Leben anderer abläuft. Aber bitte, ehrlich jetzt - in Österreich?

Empörung gegen Banken - kein Grund gegen Misstrauen?

Die Menschen in New York empören sich vor allem gegen die Banken und den Kapitalismus. In Österreich? Undenkbar. Dank unserer umsichtigen Bankenwirtschaft fehlt hier ja wohl jeder Reibebaum. Unsere Bankdirektoren schenken uns gar nichts - vor allem schenken sie uns keinen Grund für Misstrauen.

Erst kommt die Erste Bank und macht in einem Tag aus einem Gewinn in der Höhe des Bruttonationalproduktes eines kleinen Landes die gleiche Menge Verlust - man hätte eben erst am Wochenende "drüber nachgedacht". Ich frage deshalb, wäre es da nicht besser gewesen, die Herren hätten stattdessen einen Betriebsurlaub nach Laxenburg gemacht und wären Bootfahren am Schlossteich gegangen? Beim Tretbootfahren hätte es ihnen womöglich auch die trüben Gedanken weggeblasen, wonach wir gar nicht wüssten, was da noch alles auf uns zukäme... Aber es war halt leider regnerisch, am letzten Wochenende.

Keine zwei Tage später kommt dann die ÖVAG, nutzt die Gunst der Stunde, und erzählt uns en passant von einem Verlust in Höhe von voraussichtlich 900 Millionen - ist aber eh nur heuer, nächstes Jahr haben sie´s wieder im Griff, ehrlich.

Der Abgrund, der "zurückblickt"

Und sonst? Ah genau, die Hypo! Die notverstaatlichte Hypo in Kärnten ist mittlerweile mit dem unter diesem massiven Betonsarkophag liegenden Reaktor in Tschernobyl vergleichbar - nur nicht drunterschauen - und "wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein" (@ Nietzsche).

Die Bank Austria wiederum kann die ganze Aufregung gar nicht verstehen! Sapperlot! Vielleicht wird´s ein bisschen verständlicher, wenn sie die Zurückstufung ihres Mutterinstituts, der UniCredit Bank und der damit verbundenen Verteuerung ihrer aufgenommenen Verbindlichkeiten am internationalen Markt, im Zuge der lustigen Bunga-Bunga-Spielchen des Herrenreiters in Italien mit bedenken.

Empörung gegen die Politik

Wenn man sich also in Österreich nicht über die Banken empören kann, wie wär´s dann mit der Politik? Na, auch das ginge ja wohl voll ins Leere - da gilt die Unschuldsvermutung! Zu Recht gibt´s ja diese Unschuldsvermutung in unserem Rechtssystem, möchte sie doch jede Vorveruteilung einer Person, gegen die ein Verdacht gerichtet ist, verhindern. Die Unschuldsvermutung ist aber auch für den zu Unrecht Beschuldigten ein Anker in stürmischen Zeiten. Man braucht das recht oft heutzutage - in diesen unruhigen Zeiten, in denen ja bloße demokratische Meinungsäußerungen schon kriminalisiert werden sollen. Aber es gibt sie, die Unschuldsvermutung, und sie wirkt auch in Zeiten der Unsicherheit, etwa wenn man in der Nacht aus tiefem Schlaf schreckt und sich in der Dunkelheit die bange Frage stellt: "Und wenn doch?", dann greift diese Unschuldsvermutung und beruhigt schläft man weiter.

Nicht viel los in Österreich?

Für die "Zwideren" (österr. für die Empörten) ist also gerade in Österreich nicht allzu viel zu tun, wiewohl, eins gäb´s da schon - wenn alle Zwideren - egal, ob nun öffentlich zwider, oder nicht - bei den nächsten Nationalratswahlen wählen gingen, hätten wir vielleicht endlich klarere Mehrheitsverhältnisse in diesem Land und dann vielleicht, ja dann, könnten uns endlich einmal die Grünen zeigen, ob sie wirklich anderes sind, als die üblichen Unschuldsvermuter im Land! (Leser-Kommentar, Michael Bartsch, derStandard.at, 17.10.2011)