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Foto: EPA/Hannibal Hanschke

Soll die Katholische Kirche auf Kirchensteuer und Staatssubventionen verzichten? Der Papst empfahl bei seinem Deutschlandbesuch eine "Ent-Weltlichung" seiner Gemeinschaft und sagte wörtlich: "Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden." Kein Wunder, dass rasch Stimmen laut wurden, man möge die Zwangseintreibungen von Mitgliedsbeiträgen beenden. Sichtlich nervös erklärte darauf der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, man solle keine vorschnellen Schlüsse aus der Papstrede ziehen. Es gebe unterschiedliche Interpretationen und Auslegungen, "über die es auch streitige Diskussionen geben kann."

Da fragt man sich doch:

1. Warum kann der Papst nicht klar sagen, was er meint?
2. Falls 1.) nicht möglich ist, warum fragt Zollitsch nicht einfach seinen Chef, was er wirklich will?

Mittlerweile haben sich schon drei Kardinäle an der munteren Papstexegese über die Deutschlandreise beteiligt. Wozu soll ein Papst-Orakel gut sein? Und: Reden die nicht miteinander?

Der Delphi-Stil hat allerdings Methode: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat die Aussagen des Papstes in Erfurt als "faktische Rehabilitierung Luthers" bezeichnet. Ist diese Interpretation zulässig? Papstsprecher Lombardi meinte, die Deutung sei "ein bisschen übertrieben". Alles klar?

Der aktuelle Papst ist in Sachen erhöhten Erklärungsbedarfes insofern Rekordhalter, als sich in seinem Pontifikat sogar die Glaubenskongregation veranlasst sah, Aussagen eines amtierenden Papstes zu interpretieren ("Note der Kongregation für die Glaubenslehre über die Banalisierung der Sexualität im Hinblick auf einige Textstellen aus 'Licht der Welt'"). Mehr Klarheit darüber, warum sich der Papst in diesem Buch mit dem Kondomgebrauch nur im Zusammenhang mit männlichen Prostituierten auseinandersetzte, brachte das allerdings auch nicht.

Nun ist Benedikt XVI. vielleicht beim Formulieren besonders patschert. Für seine Regensburger Rede (mit abwertendem Islamzitat) drückte er im Nachhinein sein Bedauern aus. (Die Entschuldigungsgeste spricht wenigstens für ihn).

Vielleicht wird aber damit einfach deutlich, dass das Papstamt in seiner absolutistischen Ausprägung gar nicht den eigenen hohen Ansprüchen gerecht werden kann. Dass es in dieser Form in der Praxis untauglich ist. (Damit wird dieser Blog wohl noch häufiger konfrontiert sein).

In solchen Krisen hilft in der Kirche meistens die Hofer-Methode: Zurück zum Ursprung. In der Urkirche gab es unter den Aposteln nämlich keinen Maximo Leader im heutigen Sinn. Paulus war beispielsweise ein wichtiges Korrektiv als er den Petrus der Heuchelei überführte (Gal 2,11-21).

Bei seinem Deutschlandbesuch erinnerte Benedikt übrigens an Aussagen seines Vorgängers, der in der Enzyklika "Ut Unum Sint" seine Bereitschaft bekundet hatte, das Papstamt umzubauen, damit eine ökumenisch anerkannte Form gefunden werden kann. O-Ton Johannes Paul II.: "Eine ungeheure Aufgabe, die wir nicht zurückweisen können und die ich allein nicht zu Ende bringen kann" (Nr. 96). Das war allerdings schon 1995. Ist die Einschätzung, dass seither die Bremser im Vatikan - vorläufig erfolgreich - am Werk sind, "ein bisschen übertrieben"?

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (derStandard.at, 17.10.2011)