Das Stück NeinNaus - das ist theatraler Kubofuturismus. Ein gegenständliches Motiv wird in Formelemente zerlegt, es treten tieferliegende Wahrheiten ans Licht. So wartet derzeit in der Theaterhalle 11 eine Migrantenfamilie auf ihre Papiere, ein entnervter Klient zerreißt seinen Reisepass, Beamte stempeln, genehmigen, lehnen ab, öffnen, schließen Akten und jausnen, ein Schubhäftling wird vorgeführt, und die Putzfrau putzt.

18 Schauspieler (u. a. Bella Ban, Peter Raab und Oliver Vollmann) führen den alltäglichen Wahnsinn in Amtsstuben vor Augen - en gros und en detail zur gleichen Zeit. Die 22 Handlungssequenzen, keine Darstellung eines Einzelschicksaales dauert länger als eine Minute, sind im Takt von Ravels Boléro (Remix: Josej Stikar) inszeniert und spiegeln so das gigantische Amtsgetriebe. Die Hommage auf ein krankes System beruht auf Zbigniew Rybczynskis oscar-prämiertem Kurzfilm Tango. Das choreografische Theater von Felix Strasser und Yulia Izmaylova lehnt sich an den Arbeiten Karl Valentins, Paul Scheerbarts und Antonin Artauds an.

Mit Vada, dem Verein zur Anregung des dramatischen Appetits will Strasser (beeinflusst von Adolfo Assor vom Garn-Theater Berlin oder Ljudmila Roskovan mit ihrem Teatr-studija Celovek) neue Formen erarbeiten. Theater, das dagegen anspielen will, dass zum Beispiel unqualifizierte Befehlsempfänger über Leben und Tod von Flüchtlingen entscheiden. (szg, DER STANDARD/Printausgabe 18. Oktober 2011)