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"Internationaler Konsens ist erforderlich": William Hague

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Kaum eine Woche vergeht ohne Berichte über neue Hacker-Attacken gegen Behörden und Konzerne. London wirbt nun für konzertierte Gegenmaßnahmen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft.

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Das Internet hat unsere Welt von Grund auf verändert und unseren Alltag revolutioniert. Daraus ergeben sich jedoch auch Gefahren, die eine globale, koordinierte Reaktion erfordern. Die Diskussion darüber, wie diese Reaktion aussehen sollte, ist allerdings bislang nur fragmentarisch und ohne den nötigen Fokus geführt worden.

Hier will die britische Regierung Abhilfe schaffen. Ein breiterer internationaler Konsens ist erforderlich, und die Suche danach muss kollektiv, unter Beteiligung aller wichtigen Akteure, vorangetrieben werden.

Deshalb habe ich nicht nur Vertreter von Regierungen, sondern auch Vertreter der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zu einer Konferenz zum Thema Cyberspace am 1. und 2. November nach London eingeladen. Kein Land, auch keine Regierung, hat ein Patentrezept. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile des Internets nutzen und uns gleichzeitig gegen kriminelle und unsere Sicherheit gefährdende Cyber-Angriffe schützen können, ohne dabei Innovation zu ersticken.

Das Internet breitet sich in unglaublichem Tempo aus, und die Expansion unserer vernetzten Welt liegt in unser aller Interesse. Eine Zunahme der Breitbandverkabelung um 10 % lässt Schätzungen zufolge das globale BIP um durchschnittlich 1,3 % wachsen. Sie fördert Wettbewerb und Effizienz und erschließt neue Märkte.

Die internetgestützte Wirtschaft ist so zu einem kritischen Wirtschaftszweig geworden. In Großbritannien hat sie einen Wert von 100 Milliarden Pfund, das sind acht Prozent unseres BIPs, und in den nächsten vier Jahren wird mit einem jährlichen Wachstum von zehn Prozent gerechnet. Global werden im Online-Handel pro Jahr acht Billionen US-Dollar umgesetzt.

In immer mehr Ländern wächst die Abhängigkeit vom Internet bei allem, was wir tun: am Arbeitsplatz, bei der Weiterbildung oder um Steuern zu zahlen. Innovation und Kreativität werden durch das Internet ebenso gefördert wie Bildung, schon durch den schnellen Zugang zu Informationen. Der Cyberspace verwischt geografische Grenzen, beseitigt kulturelle und religiöse Barrieren, verbindet Familien und Freunde und erleichtert Kontakte zwischen Menschen. Das Internet schafft Transparenz, erleichtert es Bürgern, ihren Regierungen auf die Finger zu schauen und eröffnet völlig neue Chancen. Der Arabische Frühling hat gezeigt, dass die Fähigkeit, Gedanken auszutauschen, ungeahnte Veränderungen hervorbringen kann, dass Bürger sich gegen ein repressives Regime zur Wehr setzen können, und dabei der Welt dessen Brutalität vor Augen führen können.

Trotz Fortschritt bei der globalen Vernetzung sind die Unterschiede weiterhin groß. So verfügen z. B. 95 Prozent aller Isländer, aber nur 0,1 Prozent der Liberianer über einen Internetanschluss. Zwei Drittel der Weltbevölkerung sind nach wie vor offline.

Die vernetzte Welt bringt auch große Herausforderungen, die deren Nutzen untergraben könnten und auch verhindern könnten, dass das Potenzial des Internets voll ausgeschöpft wird.

Die Cyber-Welt ermöglicht es Verbrechern, Identitäten und Ideen zu stehlen, den Staat oder die Wirtschaft zu betrügen und sich auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft zu bereichern. Der finanzielle Schaden der Internetkriminalität ist enorm - global sind es pro Jahr eine Billion US-Dollar. Noch viel größer sind die menschlichen Kosten. Terroristen nutzen das Internet, um mörderische Anschläge zu planen und versuchen, in Chatrooms Nachwuchs zu rekrutieren.

Repressive Regierungen machen sich den technologischen Fortschritt zunutze, um die Rechte ihrer Bürger zu verletzen, Privatsphäre und freie Meinungsäußerung zu beschneiden und den freien Zugang zu Informationen zu verhindern. Technologie hat neue Wege geschaffen, wie Staaten Angriffe gegeneinander führen können, indem sie Infrastruktur lahmlegen oder Geheimnisse stehlen, so dass die Angst vor einem "Cyber-Krieg" zunimmt. Die Bedrohung ist real. In den Computernetzen unserer Regierung gehen pro Monat rund 20.000 bösartige E-Mails ein; 1000 davon sind gezielte Angriffe auf diese Netze.

Wir unterschätzen die vor uns liegende Aufgabe keineswegs. Nicht alle Länder teilen unsere Einschätzung der positiven Wirkung des Internets. Die Suche nach dem erforderlichen breiten internationalen Konsens wird nicht leicht sein. Sie wird Zeit brauchen.

Darin sehe ich eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Niemand kann das Internet kontrollieren, aber wir dürfen auch nicht alles dem Zufall überlassen. Wir müssen jetzt tätig werden, wenn wir uns die enormen Chancen erhalten wollen, die uns die Entwicklung des Cyberspace bietet. In London hoffen wir eine Agenda in Gang setzen zu können, die uns allen die Möglichkeit gibt, das Potenzial eines sicheren Cyberspace auf Generationen hinaus voll auszuschöpfen.

Reden Sie mit. Sie können sich an der Londoner Konferenz beteiligen, indem Sie Fragen zur Zukunft des Cyberspace stellen oder Ihre Meinung dazu äußern. Einige Beiträge werden den Delegierten während der Konferenz vorgelegt. (Mehr Informationen finden Sie hier.) (DER STANDARD-Printausgabe, 18.10.2011)