Mit weniger als 30 km/h durch den Shared Space in Gleinstätten.

Foto: derStandard.at/Blei

Ich hab sicher das Einfahrt-Verboten-Schild verpasst und darf hier eigentlich gar nicht fahren. Das ist mein erster Gedanke, als ich vergangene Woche in den Shared Space im steirischen Gleinstätten einfahre. Für einen Bericht über das erste Projekt dieser Art in Österreich möchte ich das Konzept testen. Keine Bodenmarkierungen, keine Verkehrsschilder und heller Fahrbahnbelag, der aus Pflastersteinen und Asphalt besteht. Wie eine Durchfahrtsstraße sieht das hier nicht aus. Dass man die Straße offensichtlich doch benützen darf, zeigt mir der Traktor inklusive Anhänger, der in meinem Rückspiegel immer größer wird. 

Ein Blick auf den Tacho verrät: Ich habe auf unter 30 km/h abgebremst, obwohl ich 50 km/h fahren dürfte. Der Shared Space hat seinen Zweck erfüllt. Bis zum Ende der Straße erhöhe ich meine Geschwindigkeit auch nicht mehr wirklich. Zu groß ist die Angst, dass ein Fußgänger die Straße überqueren möchte, was ohne Schutzwege überall und jederzeit möglich ist. Sobald sich eine Person zur Straße dreht, steige ich auch schon sofort auf die Bremse. Egal, ob diese auf die andere Straßenseite möchte oder nicht. Die Fußgänger finden's lustig. Der Traktorfahrer hinter mir nicht.

Im Schritttempo

Eineinhalb Stunden später möchte ich nach der ersten Shared Space Erfahrung meines Lebens auch das zweite Projekt in Österreich unter die Lupe nehmen. Im Gegensatz zu Gleinstätten wurde in Graz ein Kreisverkehr zum "gemeinsam genutzten Raum" umfunktioniert. Also sollte ich nicht ganz so verwirrt sein wie zuvor. Einfahren, blinken, ausfahren. Klingt einfach, ist es aber nicht. Schon eine Gasse vor dem Shared Space stehe ich im Stau. Im Schritttempo nähere ich mich dem Sonnenfelsplatz und ärgere mich über die FahrerInnen vor mir, die es offensichtlich nicht schneller schaffen, über den Platz zu gelangen. 

Gerade als ich mir überlege, das Auto stehen zu lassen, mir einen Kaffee zu holen und dann weiterzufahren (bei dem Tempo würd es eh keiner bemerken), bin ich schon an der Reihe über den Shared Space zu fahren. Und ich zögere. Von links und rechts kommen RadfahrerInnen und FußgängerInnen und fahren an mir vorbei. Obwohl ich weiß, dass hier die Straßenverkehrsordnung gilt und ich nur den Rechtskommenden Vorrang geben müsste, stehe und warte ich. Wieder ist die Angst zu groß, dass ich andere VerkehsteilnehmerInnen gefährde. Nach insgesamt zehn Minuten habe ich den Shared Space bewältigt, parke in einer Seitenstraße und bin erleichtert - und reicher um eine Erkenntnis: Das nächste Mal nutze ich den Shared Space nicht mehr mit dem Auto. Das geht sicher schneller und kostet weniger Nerven. (Bianca Blei, derStandard.at, 18.10.2011)