Das Zwillingsparadoxon ist in klassischen Experimenten bereits bestätigt, jedoch nicht im Zusammenhang mit Quanteneffekten. Das ist das Ziel des neuartigen Experimentes.

Foto: Uni Wien

Wien - Die Vereinigung der Quantenmechanik mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ist eine der wichtigsten offenen Fragen der modernen Physik. Die allgemeine Relativitätstheorie, welche die Gravitation, den Raum und die Zeit beschreibt, tritt vor allem auf großen Skalen, also bei Sternen und Galaxien, zum Vorschein. Auf der anderen Seite machen sich die fragilen Quanteneffekte vor allem bei den kleinsten Teilchen bemerkbar. Theoretische Physiker der Uni Wien schlagen nun im Fachjournal "Nature Communications" ein neues Experiment vor, in dem die Quantenmechanik auf die Relativitätstheorie trifft. Konkret geht es um Zeitmessung auf Quantenebene.

Laut Allgemeiner Relativitätstheorie laufen Uhren in der Nähe eines massiven Objekts langsamer als solche, die weiter von der Masse entfernt sind. Dieser Effekt zeigt sich schön im sogenannten Zwillingsparadoxon: Wenn ein Zwilling auf einer höher gelegenen Ebene lebt, so altert er schneller als der tiefer lebende andere Zwilling. Dieser Effekt wurde in klassischen Experimenten bestätigt, jedoch nicht im Zusammenhang mit Quanteneffekten. Genau das ist das Ziel des neuartigen Experiments, das die Wissenschafter um Caslav Brukner von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Uni Wien nun vorschlagen.

Die Wissenschafter möchten den außergewöhnlichen Quanteneffekt der "Superposition" ausnutzen, bei dem ein Teilchen nicht mehr genau lokalisierbar ist. Dieser Zustand ermöglicht Welleneffekte, also Interferenz, eines einzigen Teilchens. Sobald aber der Ort des Teilchens beobachtet wird, geht dieser Effekt verloren: Es ist nicht möglich, Interferenzeffekte zu beobachten und gleichzeitig die Position des Teilchens zu kennen. Die Wiener Physiker schlagen nun ein Experiment vor, das dieses Prinzip in Verbindung mit dem "Zwillingsparadoxon" ausnutzt.

Atom in Superposition

Dazu soll ein einzelnes Teilchen, etwa ein Atom, in eine "Superposition" von zwei Orten gebracht werden - ein Ort näher und ein Ort weiter von der Erdoberfläche entfernt. Gleichzeitig wird das Teilchen als Uhr genutzt, etwa durch seinen sogenannten Spin. Aufgrund von Quanteneffekten ist das Teilchen sowohl nahe als auch weiter entfernt von der Erde, aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie geht die Teilchen-Uhr gleichzeitig langsam und schneller.

Da jedoch die gemessene Zeit darüber informiert, an welchem Ort die Uhr ist - ist die Zeit schneller vergangenen, ist das Teilchen weiter weg von der Erde - gehen die Interferenz und die Wellennatur des Teilchens verloren. "Es ist das 'Zwillings-Paradoxon' des 'quantenmechanischen Einzelkindes' und verbindet Quanteneffekte mit denen der allgemeinen Relativitätstheorie. Dies wurde noch nie zuvor in Experimenten beobachtet", so die Erstautorin der Publikation, Magdalena Zych. Allerdings sei es derzeit noch nicht möglich, die geringe Zeitdifferenz zwischen den beiden Orten genau zu messen, sagte Zych im Gespräch mit der APA. (red/APA)