Es ist die aus einem Brief Nietzsches überlieferte Einsicht, dass das jeweilige "Schreibzeug" an unseren Gedanken mitarbeitet, die sich durch Friedrich Kittlers Untersuchung Grammophon Film Typewriter (1986) zieht. Der 1943 geborene Medientheoretiker wies in dieser bahnbrechenden Studie auf die technisch-materiellen Grundlagen kultureller Leistungen hin - und wagte damit den Sprung von einer Literatur- zu einer umfassenden Medienanalyse.

Für Aufsehen hatte Kittler aber auch schon mit seinem bekanntestem Werk Aufschreibsysteme 1800/ 1900 (1985) gesorgt, seiner Habilitationsschrift. Darin forderte er einen Paradigmenwechsel der Geisteswissenschaft - und zwar weg vom hermeneutischen Verstehen hin zur Frage, wie technische Medien den Diskurs bestimmen. Im Zentrum der Analysen stand nicht mehr die Differenz zwischen Wissen und Nichtwissen, sondern zwischen Programmierern und Programmierten.

Kittler wurde im sächsischen Rochlitz geboren, seine Familie floh 1958 nach Westdeutschland, wo er in Freiburg Germanistik und Philosophie studierte. In den vergangenen Jahren wandte sich der an Jacques Lacan und Michel Foucault ebenso wie an Pink Floyd und Hendrix geschulte emeritierte Professor für "Ästhetik und Geschichte der Medien" an der Humboldt-Universität zu Berlin wieder dem Griechentum zu, dessen mathematische und poetische Leistungen ihn ein Leben lang faszinierten. Friedrich Kittler starb gestern 68-jährig in Berlin. (steg/DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2011)