
Tom Waits bemüht sich auf "Bad As Me" nach Jahren des routinierten Anheulens des Monds und Gestampfes im Zeichen des Blues wieder um mehr Abwechslung. Am Klavier sitzt er jetzt manchmal auch wieder.
Wien - Wenn man eine Fertigkeit im Leben sehr gut beherrscht, neigt man dazu, dies der Welt immer wieder zu demonstrieren. Wohlmeinende bezeichnen dies als Stilwillen. Böse Menschen sprechen von Wiederholung, im schlimmsten Fall von Selbstparodie. Tom Waits zum Beispiel kann spätestens seit seinem Album Heartattack And Wine von 1980 sehr gut dreckigen, stampfenden, röchelnden und leicht aus der Spur geratenden Bluesrock im Gedenken an Cpt. Beefheart singen und spielen. Und er beeindruckt seit jeher im Fach der abgelebten, nicht nur melodisch betrunkenen Zupf- und Klimperballade. Als räudigster Hund der gesamten Nachbarschaft heult er dabei zum Weinen schön den Mond an, bis ihm die Stimme versagt - oder der Mond aus Protest untergeht.
Eigentlich würde der Mond ja lieber von traurigen jungen Frauen sehnsuchtsvoll angesungen werden. Erklären Sie das aber einmal einem betrunkenen Klavierspieler zweifelhafter sittlicher Festigung im nicht mehr wirklich besten Alter.
In seiner Lieblingsrolle als "Tom Waits" hat der 61-jährige kalifornische Songwriter Tom Waits während der letzten vier Jahrzehnte meist überaus gute Musik in die Welt gebracht. Allerdings findet sich selbst auf Meisterwerken wie Swordfishtrombones, Rain Dogs oder zuletzt Real Gone und der überbordenden Box Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards neben vier, fünf Handvoll Klassikern zahlreiches Füllmaterial.
Bei diesem verlässt sich Waits gemeinsam mit seiner Frau und künstlerischen Langzeitpartnerin Kathleen Brennan auf selbstgeschaffene Klischees zwischen Theaterkulissen für Obdachenlosen-, Tramp- und Charles-Bukowski-Stücke.
Feierlich torkelnde, mit Megafon vorgetragene Grabesgesänge bei inszenierten drei Promille Schrottplatz- und Hinterhofkitsch im Blut treffen auf Mülltonnen, die als Schlagzeug zweckentfremdet werden. Dazu haut Waits auf einem Pianino mit tagelang mühsam von einem Fachmann für Hörsturz verstimmten Saiten auf die Tasten - oder ringt Hausgitarrist Marc Ribot im Caritas-Lager erworbenen Billiggitarren und brummenden Verstärkern die Klagelaute sterbender Elefanten ab. Wenn man live dabei ist, zuletzt auf seiner Glitter & Doom-Tour, ist es eine reine Freude, diese Inszenierung zu erleben. Auf CD kann das allerdings dazu einladen, die Skip-Taste zu betätigen.
Auf dem neuen Album Bad As Me bleibt alles gleich und klingt doch anders. Das mag daran liegen, dass Waits darum bemüht ist, mehr Abwechslung in die Songs zu bringen. Wir hören zwar obligatorische, gewohnt heftige Blues- und Rhythm-'n'-Blues-Stampfer wie Let's Get Lost oder Chicago. Mit rhythmisch zur Flucht einladenden Zuggeräuschen wollen diese eine virile Aufbruchstimmung verbreiten, der sich nicht einmal der auf zwei, drei Getränke vorbeischauende Keith Richards in der Stones-Paraphrase Satisfied verwehren kann.
Donnergurgeln
Mit David Hildago von den Roots-Rockern Los Lobos geht es in Balladen wie Pay Me oder Put Me Back In The Crowd aber 2011 auch hinunter nach Mexiko. Beim verschleppten, mit Glockenspiel behübschten und an Nick Caves Red Right Hand erinnernden Song Right Raised Men zupft Flea von den Red Hot Chili Peppers recht zünftig den Baß. Ansonsten wird Bad As Me einmal mehr von Marc Ribots fragmentarisch-genialischem Gitarrenspiel dominiert.
Dass Waits jetzt auch wieder Klavier spielt, schadet dem starken und hochgradig wiedererkennbaren Material ohnehin nicht. Auch stimmlich besinnt er sich nach all dem Donnergurgeln und Endzeitröcheln wieder auf Vielfalt. In Everybody's Talking etwa jubiliert er im Falsett wie einst der Mann, der sich Prince nannte. Nennen wir es Stilwillen. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2011)