Bonn - In der Fachzeitschrift "The Astrophysical Journal" präsentieren Physiker der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ihre Hypothese über eine bislang unbekannte Klasse von Himmelskörpern bzw. astronomischen Objekten: "Dunkle Sternhaufen". Diese vorerst rein hypothetischen Gebilde würden aus vielen umeinander kreisenden Schwarzen Löchern und einigen Sternen bestehen.
Die (mögliche) Entstehung
Sterne entwickeln sich aus Gaswolken, die sich aufgrund der Schwerkraft sehr stark zusammenziehen und dann das Sonnenfeuer zünden. Nur selten sind die stellaren Objekte Einzelgänger, meist treten sie in Gruppen auf. Sternhaufen sind Orte im Universum, wo sich besonders viele Sterne auf einmal bilden. Wenn solche Haufen noch jung sind, hauchen sterbende Sterne ihr Leben in einer Supernova-Explosion mit einem extrem hellen Aufleuchten aus. "War die Masse der Sterne groß genug, bleiben extrem dichte Neutronensterne und Schwarze Löcher übrig", sagt Pavel Kroupa vom Argelander Institut für Astronomie der Universität Bonn.
"Unter bestimmten Bedingungen entwickeln sich besonders viele Schwarze Löcher in einem Sternhaufen", führt der in Bonn arbeitende Sambaran Banerjee vom Tata Institute of Fundamental Research in Mumbai den Gedanken weiter. "Wir schlagen vor, dann von einem Dunklen Sternhaufen zu sprechen, der aus umeinander kreisenden Schwarzen Löchern und einigen Sternen besteht."
Fragile Balance
Die ursprüngliche Fragestellung der Bonner Physiker war es, die physikalischen Eigenschaften sterbender Sternhaufen zu erforschen. Die auf Hochleistungscomputern durchgeführten Rechnungen ergaben überraschend, dass sich solche "Dunkle Sternhaufen" bilden müssen. "Die Sterne führen in den Haufen chaotische Tänze auf", sagt Kroupa. "Sie ziehen sich aufgrund der Schwerkraft gegenseitig an und wechseln deshalb laufend die Bahn." Die Gravitation hält den Sternhaufen zusammen, doch seine Mitglieder sind dem Wandel unterworfen. "Mit der Zeit verdampfen die leichteren Sterne", sagt Kroupa. "Die durch Supernovae entstandenen schwereren Schwarzen Löcher und Neutronensterne reichern sich aber immer mehr an - der Sternhaufen wird deutlich dunkler, weil diese Komponenten kein Licht aussenden." Daraus würden sich dann Dunkle Sternhaufen entwickeln.
Bei Supernova-Explosionen könne es laut den Forschern jedoch passieren, dass die daraus resultierenden Schwarzen Löcher stark beschleunigt und aus dem noch jungen Sternhaufen herausgeschleudert werden. "Dieser Kick kann mit mehreren 100 Kilometern pro Sekunde erfolgen", sagt Banerjee. Damit gehen die Schwarzen Löcher verloren und es kann sich kein Dunkler Sternhaufen entwickeln. "Je näher der Sternhaufen am Zentrum der Milchstraße liegt, desto größer ist die umgebende Gravitation", erläutertKroupa. Dann können die leichten Sterne während des Alterns des Haufens schneller verdampfen, als die Schwarzen Löcher einander herausschleudern können. "Unsere Berechnungen zeigen, dass Dunkle Sternhaufen nur innerhalb eines Abstandes von ungefähr 15.000 Lichtjahren vom Zentrum der Milchstraße vorkommen können", sagt Banerjee. Weiter weg verdampfen die leichten Sterne zu langsam, sodass die dunkle Phase nicht erreicht werden kann.
Nachweis gesucht
"Bisher gab es keine Möglichkeit nachzuprüfen, ob die Schwarzen Löcher und Neutronensterne überhaupt in den Sternhaufen bleiben", ergänzt Kroupa. "Anhand der Dunklen Sternhaufen, die wir aufgrund unserer Berechnungen vorschlagen, ist dies nun aber möglich." Einen Dunklen Sternhaufen erkenne man daran, dass sich die noch verbleibenden Sterne in ihm deutlich schneller bewegen, als sie es dürften, berichten die Wissenschafter: "Die Sterne scheinen von einer unsichtbaren Kraft oder Masse zusammengehalten zu werden." Diese Kraft sei die zusätzliche Gravitation der im Sternhaufen vorhandenen Schwarzen Löcher und Neutronensterne.
"Wenn sie tatsächlich gefunden werden, dann ist eine neue exotische Klasse von Himmelskörpern entdeckt", sagt Kroupa. Die dann gewonnenen Erkenntnisse würden auch das Verständnis für die Physik von Supernova-Explosionen vervollkommnen. "Außerdem müssten die Sternhaufen dann die Quelle von Gravitationswellen sein, die Albert Einstein anhand seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hat." (red)