Foto: Reiner Wandler

"Thanks NATO, you've saved our lives", steht an der Hauptkreuzung im west-libyschen Nalut unweit der tunesischen Grenze zu lesen. Das hätte ich mit im Leben nicht träumen lassen, dass ich einmal so eine Wandmalerei sehe und - Allah oder Charly - sei mir gnädig, sie auch noch richtig finde.

Ich war Ende Februar an der Grenze zwischen Libyen und Tunesien. Die Flüchtlinge, die zu Zehntausenden herüberkamen, brachten Nachrichten mit, die schrecklich waren. Die Soldaten und Söldner von Oberst Muammar al-Gaddafi schossen auf junge Menschen, die nur eines verbrochen hatten, sie wollten ihre Freiheit, so wie es die Nachbarn in Tunesien vorgemacht hatten und die ägyptische Altersgenossen aufgriffen. Deshalb waren sie am 17. Februar erstmals auf die Straße gegangen.

Doch sie hatten nicht mit ihrem Diktator gerechnet. Es gibt - so verrückt dies klingen mag - tatsächlich erhebliche Unterschiede zwischen Despoten und Despoten. Gaddafi, an Zeiten gewohnt, in denen die Zweiteilung der Welt in Blöcke einfach alles möglich erscheinen ließ, schlug zu, als handle es sich um Ungeziefer in seinem Garten. Den Protestierenden blieb nichts anderes als zu den Waffen zu greifen. Der Weg zurück nach Hause wäre der sichere Tod gewesen. Wehrlos wartend.

Wer die verlassenen Panzer und Geschützstellungen rund um Nalut sieht, weiß was die Menschen in der 30.000 Einwohnerstadt mitten in den Nafousa-Bergen in der Wüste erdulden mussten. Sie nahmen die Stadt am ersten Tag der Proteste selbst in die Hand. Gaddafi wollte und konnte dies nicht hinnehmen, den schließlich führt eine der beiden Grenzstraßen von Tunesien durch den Ort. Die Truppen des Regimes kreisten Nalut ein. Das Granatfeuer wurde zum Alltag. Der Durchbruch und der Sieg im Mai gelang schließlich, nachdem eine NATO-Bombe eine Kaserne unweit der Stadt zerstörte. Wer will es der Bevölkerung da verübeln, dass sie dem westlichen Militärbündnis dankbar ist.

Ja, ich bekenne, ich war im Frühjahr für den NATO-Einsatz in Libyen und zwar schon lange bevor er tatsächlich kam. Spinnt die Welt, oder spinne ich? Ersteres kann sein, zweiteres würde ich mir doch verbieten. (derStandard.at/19.10.2011)