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Nach dem Essen sollst du ruhen, oder 1.000 Schritte tun, besagt ein altes Sprichwort.

Foto: Reuters/Michaela Rehle

Der Leistungsanspruch macht auch vor dem Essen nicht Halt. Was der moderne Mensch vertilgt, soll gleichzeitig schmackhaft, gesund und nachhaltig sein. An der Oberfläche bewegt dabei vornehmlich, was gegessen wird. In einer Zeit, wo Lebensmittel jedoch nicht mehr pauschal über den Kamm geschoren werden, wo sich Nahrung hinter Nährstoffen versteckt, wird aber auch die Art, wie  Nahrung verzehrt wird, immer wichtiger. Nur - gerade darauf wird meistens vergessen.

Richtig essen also. Vielen Menschen ist zwar bekannt, dass den idealen Speiseplan ein reichhaltiges Frühstück ausmacht, das Mittagessen leicht und das Abendessen noch bekömmlicher sein sollte, danach leben tun sie aber nicht. Es hakt in der Mitte. Oft genug fällt das Mittagessen buchstäblich unter den Tisch. Wenn überhaupt, so wird diese Mahlzeit in Eile eingenommen. Gegessen wird in der Kantine, im Restaurant ums Eck oder gleich am Arbeitsplatz. Die Genusskomponente kommt dabei ganz klar zu kurz. So macht Essen aber nur halb so viel Spaß.

Schnelles Essen macht das Hirn träge

Wenn man Mittagspause googelt, findet man bezeichnenderweise an vorderster Stelle ein gleichnamiges Wiener Take-away-Restaurant mit Zustellservice. Auf Wikipedia wird es interessanter. Die Enzyklopädie bezeichnet die Mittagspause als "meist unbezahlte Unterbrechung der Arbeitszeit,...die der Erholung und der Einnahme eines Imbisses dient".

Aber wie lässt sich das in Hast mehr verschlungene als gegessene Mittagsmenü mit Erholung in Einklang bringen? Und hat Entspannung in der heutigen Arbeitswelt ihren Platz? Die Antwort könnte Nein lauten, denn dazu ist, unvorstellbar in großen Teilen Europas, der Mittagsschlaf nötig. Der gehört zum richtigen Essen dazu, wie Forscher der Universität Manchester 2006 bestätigen konnten. Die Leistung unserer Gehirnströme nimmt nach dem Essen nämlich rapide ab. "Die bei der Nahrungsaufnahme frei werdende Glucose, ein wichtiges Kohlenhydrat, blockiert jene biochemischen Botenstoffe die uns wach halten", erklärt der Forscher Denis Burdakov.

Die Blockade gilt unter anderem den sogenannten Orexinen. Diese Neuropeptid-Hormone besitzen einen großen Einfluss auf das menschliche Schlaf/Wachverhalten. Unter anderem sorgen sie für eine Erhöhung der Körpertemperatur, Gewichtsverlust, erhöhte Aufmerksamkeit und Wachheit. Die Ausschüttung der Orexine wird nach der Nahrungsaufnahme durch das Sättigungshormon Leptin gehemmt. Was in dieser Phase hilft, ist Schlaf. Er reaktiviert die Neuropeptide und füllt so die Batterien wieder auf.

Dabei muss das Schlafen oder "Dösen" gar nicht lange dauern. 20 bis 30 Minuten sind ideal, der dazu passende Begriff "Power Nap" ist schon länger bekannt. Er stammt aus der IT-Szene des kalifornischen Silicon Valley, welche die erquickende Wirkung eines Kurzschlafs erkannte und dem Nickerchen ein „power" für Kraft vorgestellt hat. "Der Regenerationsgehalt dieser kurzen Spanne erhöht die Leistungsfähigkeit und -freude um ein Vielfaches zur investierten Zeit", erklärt der österreichische Schlafexperte Mario Filoxenides in seinem Gastbeitrag für den Sammelband „Die Zukunft der Arbeit".

In Ruhe genießen

Der Mittagsschlaf macht also auch ökonomisch Sinn. Denn obwohl die im verarbeitenden Gewerbe tätigen Österreicher mit der drittgrößten Arbeitsproduktivität innerhalb der gesamten EU glänzen, verbringen laut einer Studie von Czipin Consulting die Menschen quer über alle Branchen rund 40 Prozent der Arbeitszeit unproduktiv.

Dem eigenen Körper und dem Arbeitgeber zuliebe lohnt sich der Mittagsschlaf also. Praktiziert wird Power-Napping aber nicht: Im nördlichen Europa wurde das Mittagschläfchen schon lange aus dem Alltag verbannt, und der Süden läuft Gefahr, es dem Norden gleichzutun. In Asien wird die Siesta nach dem Mittagsmahl noch verteidigt. Doch auch hier liegt die Betonung auf dem Noch. "In vielen Kulturen - vor allem in Großstädten - sind die natürlichen Rhythmen den sozialen Rhythmen gewichen", erklärt Filoxenides das Phänomen. Das Schlafbedürfnis wird unterdrückt, obwohl Körper und Geist die Erholung dringend bräuchten.

Schlafen und Essen, Essen und Schlafen. Die Mittagspause verlangt dringend nach einem Bedeutungswandel. Der Fokus muss auf die Begleitumstände gerichtet werden. Überspitzt formuliert: Ein Schnitzel kann, in Ruhe genossen, für Körper und Geist anregender sein, als ein griechischer Salat, der hastig hinunter geschlungen wird. (derStandard.at, 20.10.2011)