Eva Posch am Markt St. Denis

Foto: Eva Posch

SchülerInnen auf La Réunion

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Auf der Insel vermischen sich die Kulturen. Im Bild ein Tempel

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... und eine Moschee.

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Für das Studium der Psychologie entschied Eva Posch sich ganz spontan: "Ich hatte keine klaren Vorstellungen, wollte einfach mit Menschen arbeiten. Psychologische Zusammenhänge interessierten mich, in erster Linie bei mir selbst, aber auch bei den anderen. Aber ich hatte kein Bild davon, was ich nach dem Studium darstellen wollte oder sollte." Wichtig war ihr, offen zu suchen und neugierig zu sein: "Ich halte nichts davon, sich wie bei den Bewerbungsgesprächen zu überlegen, wo man sich in fünf oder zehn Jahren sieht."

Schlussstrich unter die klinische Psychologie

Nach Jahren des ausgedehnten Studiums ("ins Blaue hinein") folgte 2003, während eines Praktikums in einer psychiatrischen Einrichtung in England, die Ernüchterung. Eva stellte fest, dass sie sich für die klassische Arbeit der klinischen Psychologin - mit Menschen über ihre inneren Konflikte sprechen - einfach nicht genug interessierte: "Wenn man irgendwo landet, wo die Menschen von ihrer Arbeit begeistert sind, aber selbst wird man von deren Enthusiasmus nicht angesteckt, dann heißt es, man ist nicht am richtigen Platz", resümiert Eva rückblickend. 

Diese Erkenntnis stürzte die frisch gebackene Psychologin zunächst in große Zweifel. Es ergab sich aber, dass sie über eine Freundin einen Job als Trainerin für Migrantinnen in einer AMS-Maßnahme "weitergereicht" bekam; die Freundin war, abgeschreckt durch die schlechte Bezahlung, kurzfristig abgesprungen.

Job, Nebenjob, Nebennebenjob

Ein ganzes neues Feld - Arbeiten mit Flüchtlingen und Migranten - tat sich plötzlich auf. "Wenn die Dinge sein sollen, dann tauchen sie plötzlich auf", ist Eva heute überzeugt. Nur unheimlich schlecht bezahlt sei der erste Job gewesen. Nebenbei musste sie in einem Callcenter jobben und Nachhilfe geben, um über die Runden zu kommen: "Ich hatte eine richtige Wut. Ich dachte, eigentlich mache ich eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft, muss aber nebenbei jobben, um es mir zu leisten. Trotzdem war es ein guter Einstieg." 

Integrationsberaterin

Danach unterrichtete sie in einem kleinen Verein in Wien Deutsch als Fremdsprache und bewarb sich beim Diakonie-Flüchtlingsdienst in St. Pölten, wo sie später auch genommen wurde. Ab Februar 2006 arbeitete sie als soziale Betreuerin ("Integrationsberaterin") in einem Wohnprojekt für anerkannte Flüchtlinge, wo ihre Zuständigkeit weitgehend in der Sozialarbeit bestand. Keine einfache Aufgabe, wie sich herausstellte: "Die Menschen dort waren zum Teil schwer traumatisiert, depressiv und unglücklich und ließen ihre Frustrationen oft bei alltäglichen Kleinigkeiten aus. Plötzlich war es ein Problem, dass die Waschmaschine nicht schön genug ist, oder dass man sich den Strom mit den Nachbarn teilen muss." Auch das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Personal und Bewohnern sorgte für sozialen Sprengstoff: "Man hat es eben mit sehr belasteten Menschen zu tun und wird als Mitarbeiterin oft Zielscheibe von Vorwürfen. Vom Enthusiasmus für fremde Kulturen, den man als sporadischer ehrenamtlicher Mitarbeiterin entwickeln kann, bleibt dann nicht mehr viel übrig."

Bald fokussierte sich Eva verstärkt auf das Thema Bildung und leitete ab 2008 ein Projekt für Jugendliche mit Flucht- und Migrationshintergrund.

"Möglichst weit weg"

Seit Jahren aber hegte Eva den Wunsch, ins Ausland zu gehen. Mehrere Versuche, als Uni-Lektorin auf dem Balkan oder in Frankreich zu arbeiten, schlugen fehl. Der fünfte Anlauf - als Sprachassistentin im französischen Übersee-Département La Réunion - klappte schließlich. Das Schuljahr 2011/12 verbringt Eva also auf der knapp 800 Kilometer östlich von Madagaskar gelegenen Insel La Réunion im Indischen Ozean. Ihre Position als Projektleiterin musste sie dafür nicht aufgeben, für die Dauer des Auslandsaufenthaltes ist sie karenziert. "Ich wollte irgendwohin, wo es sehr anders ist als bei uns, ich wollte möglichst weit weg."

"... damit das Beste herauskommt"

An La Réunion begeistert sie neben den "genialen Freizeitmöglichkeiten" in erster Linie die "unglaubliche Gemischtheit in der Bevölkerung und der Umgang damit". Die Dynamik der Gesellschaft, so werde das offenbar von sehr vielen auf der Insel gesehen, entwickelt sich dadurch, dass die Kulturen sich vermischen und dabei dann das Beste herauskommt - für Eva ein faszinierender und progressiver Ansatz. Es gibt viele Menschen, die sich zwei Religionen zugehörig fühlen, meistens ist es eine Kombination aus Hinduismus und Christentum. Die 1905 errichtete Moschee in der Hauptstadt Saint Denis ist die erste islamische Gebetsstätte auf französischem Territorium. 

Die Kehrseite ist laut Eva das Erbe der Kolonialgeschichte, das sich in sozialen Schieflagen niederschlägt: "Von meinen Kollegen in der Schule sind über achtzig Prozent weiße West-Franzosen, und das trifft auf die ganze Insel zu. Die gut bezahlten Jobs sind eindeutig in weiß-französischer Hand. Die Leute kommen aus Frankreich, bekommen hier einen Inselzuschlag, arbeiten als Physiotherapeuten, Krankenschwestern oder Lehrer, und dann gehen sie wieder. Das ist natürlich ambivalent zu sehen, denn die Arbeitslosigkeit in der einheimischen Bevölkerung liegt bei dreißig Prozent, gerade bei Jugendlichen."(Mascha Dabić/daStandard.at/21.10.2011)