Der Aufstieg des früheren polnischen Finanzministers Marek Belka (51) zum Irakkoordinator für Wiederaufbau löst in Polen keine große Überraschung aus. Der Wirtschaftsprofessor hat zwar keine große Ahnung vom Irak, wie er unlängst in einem Interview offen eingestand. Doch er gilt als hervorragender Wirtschaftsexperte, der sich schnell in neue Aufgabengebiete hineinfindet. In den letzten Tagen führte er bereits ausführliche Gespräche in Kuwait und im Irak, wo er sich mit dem amerikanischen Zivilverwalter Paul Bremer traf.

In Polen wurde Belka bereits seit einiger Zeit als Anwärter für einen der wichtigeren Zivilverwaltungsposten im besetzten Irak gehandelt. Dass Polens Staatspräsident Aleksander Kwasniewski die Ernennung Belkas zum Irakkoordinator während des Besuchs von US-Präsident George W. Bush in Krakau bekannt gab, hat mit seit dem Irakkrieg besonders guten Beziehungen Polens zu den USA zu tun. Belka wird im Irak die internationalen Bemühungen zum Wiederaufbau des Irak koordinieren.

Von Oktober 2001 bis Juli 2002 war der schlanke und immer sachlich und zurückhaltend wirkende Ökonom Finanzminister im Kabinett des exkommunistischen Ministerpräsidenten Leszek Miller. Nach nur neun Monaten trat er zurück, weil er seinen Sparhaushalt nicht durchsetzen konnte, den er im Reformgeist seines Vorgängers Leszek Balcerowicz, dem heutigen Notenbankpräsidenten Polens, errechnet hatte. Offiziell hatte Belka damals seinen Rücktritt mit den Worten "Ich bin ausgebrannt" begründet.

Zuvor war Belka, der von 1973 bis 1996 an der Wirtschaftsfakultät der Universität Lodz gearbeitet hatte, Berater des Finanz- und des Privatisierungsministeriums in Warschau gewesen, später des Staatspräsidenten und der Weltbank. Belka kam zugute, dass er sich bereits in der Zeit des Sozialismus mit der "politischen Ökonomie des Kapitalismus" beschäftigt hatte und die aktuellen wirtschaftspolitischen Theorien und Modelle kannte. 1997 hatte er schon einmal das Finanzministerium geleitet, damals unter der Regierung Wlodzimierz Cimoszewicz, der heute das Amt des Außenministers Polens bekleidet.

Mit der Ernennung Belkas falle Polen eine wichtige Aufgabe beim Wiederaufbau des Irak zu, betonte Kwasniewski am Samstag. "Wir sind seit einigen Jahren auf dem Balkan, und niemand hat uns dort bislang Unfähigkeit vorgeworfen, eine Neigung zur Korruption oder zur Trunksucht", weist Belka Fragen wie "Können die Polen das denn?" zurück. "Wenn es uns im Irak gelingt, woran ich natürlich glaube, werden wir den Ruf eines verantwortungsvollen und soliden Landes erringen. Darum sollten wir uns bemühen."

Marek Belka ist verheiratet und hat zwei Kinder.(Gabriele Lesser/DER STANDARD, Printausgabe, 2.6.2003)