Graz/Wien - Kehrt die Liebe im Pfarrhof ein, könnte dies für unkeusche Gottesmänner künftig teuer werden. Zumindest wenn es nach dem Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari geht. Dieser empfiehlt nämlich sündigen Priestern im Fall eines Zölibatsbruchs eine "wehtuende Spende".
Erstmals unterbreitete Kapellari seinen Vorschlag einer breiteren Öffentlichkeit bereits Ende September anlässlich der Eröffnung der 54. Pfarrerwoche in Schloss Seggau. Und scheint damit auch das weltkirchliche Interesse geweckt zu haben: In der aktuellen Wochenausgabe der deutschsprachigen Papstzeitschrift L'Osservatore Romano wurde das bischöfliche Referat aus Graz nun samt heikler Zölibatspassagen veröffentlicht.
Konkret rät Kapellari Priestern, die "in eine Berufs- und Berufungskrise geraten sind oder seit langem in einem falschen Kompromiss stehen" zu einer "fast wehtuenden, großzügigen Spende" - etwa für hungernde Menschen. Mit dem klaren Ziel für sündiges Gottespersonal: "wieder freier atmen zu können".
Als eine Form modernen Ablasshandels will der Grazer Diözesanbischof seinen Vorschlag aber "auf keinen Fall" sehen. "Es ist eine von vielen Möglichkeiten, damit zu beginnen, in so einer Situation den Knoten zu lösen. Ich lege da auch keine Tarife fest und prüfe auch nicht nach, ob und wie viel ein Priester gespendet hat. Aber: "Werden Versprechen gebrochen, gibt es einen Selbstbehalt", erläutert Kapellari im Gespräch mit dem Standard.
Er habe in seiner bisherigen Amtszeit immer den Dialog gesucht mit Priestern, die nicht zölibatär leben: "Die Kirche in unserer Diözese übt sich da nicht im Wegschauen, sondern versucht, irreguläre Situationen, vor allem wenn sie neu entstehen, offen anzusprechen und in Bewegung zu bringen, damit Entscheidungen nicht endlos aufgeschoben werden können."
Die Spende sei aber eben nur eine Möglichkeit: "Das intensive Gespräch mit Betroffenen steht stets im Vordergrund. Und es gibt immer die Möglichkeit einer Laisierung. Aber um Last von der Seele zu nehmen, lohnt es sich eben auch, Lösungsansätze auf materieller Ebene zu suchen."
Moraltheologin "überrascht"
Sigrid Müller, Vorstand des Instituts für Moraltheologie an der Universität Wien, ist von Kapellaris Ansichten "überrascht". "Schwierigkeiten mit dem Zölibat kann man mit finanziellem Großmut wohl kaum lösen", sagt sie im Gespräch mit dem Standard. Für Müller stellt sich "die Frage, ob durch eine solche Spende wirklich erreicht werden kann, dass den Betroffenen ein Stein vom Herzen fällt, sie leichter atmen können". Die Überwindung solcher Krisen sei nicht nur Privatsache, vielmehr seien strukturelle Verbesserungen gefordert. (Peter Mayr und Markus Rohrhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2011)