Bild nicht mehr verfügbar.

Rektorenchef Schmidinger fragt sich, "wann der geschätzte Herr Vizekanzler zuletzt eine Universität von innen gesehen hat".

Foto: apa/neubauer

Standard: Vizekanzler Michael Spindelegger hat am Wochenende im Standard erklärt, er würde es auf einen Konflikt mit der SPÖ ankommen lassen (zum Interview). Die Universitäten sollen von ihrer Autonomie Gebrauch machen und selbstständig Studiengebühren einheben. Danach könnten die Gerichte entscheiden, ob das rechtmäßig ist. Was halten Sie davon?

Schmidinger: Das halte ich für sehr unrealistisch, aus zwei Gründen: Zum einen glaube ich, dass die Universitäten durchaus bereit sind, ihre Autonomie wahrzunehmen und gegebenenfalls auch Studienbeiträge einzuheben. Aber das muss auf sicherer rechtlicher Basis erfolgen. Ein Experiment können wir uns hier nicht leisten. Der zweite Grund: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Studiengebühren im Alleingang beschlossen werden, dass eine Partei alleine Studienbeiträge einführt. Ich halte einen Alleingang der ÖVP für problematisch. Das provoziert nur große Konflikte an den Universitäten und darüber hinaus. Das Ergebnis einer solchen Vorgangsweise wäre viel Unruhe und Kontroverse. Das fällt den Universitäten auf den Kopf.

Standard: Die Vorgangsweise wäre aber einfach: Man müsste nur das Gesetz auslaufen lassen, das wäre im Februar nächsten Jahres der Fall. Da braucht es nicht einmal einen Beschluss.

Schmidinger: Ich kann nicht beurteilen, ob das wirklich so stimmt. Auch die Juristen sind sich darüber nicht einig. Aber hier ist, natürlich auf Vorschlag der Bundesregierung, das Parlament gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen und das Gesetz zu reparieren.

Standard: Tendieren Sie zu einer der beiden geäußerten Rechtsmeinungen? Wäre es aus Ihrer Sicht möglich, autonom Studiengebühren einzuheben, wenn das Gesetz nicht repariert wird?

Schmidinger: Ich halte die Argumentation von Professor Heinz Mayer für schlüssig.

Standard: Dass es also möglich wäre, autonom Studiengebühren einzuheben.

Schmidinger: Ja. Trotzdem: Es bringt nichts, dieses Thema in einer Kontroverse durchzusetzen und Polarisierung in Kauf zu nehmen. Man darf dabei die gesellschaftliche Dimension, die damit verbunden ist, nicht übersehen oder unterschätzen.

Standard: Würde sich überhaupt eine Uni finden, die da vorprescht und allein Gebühren einhebt?

Schmidinger: Ich glaube nicht, dass eine einzelne Universität ein solches Risiko einginge. Stellen Sie sich vor, eine Universität täte das, würde geklagt - ein Kläger ließe sich finden - und der Klage würde stattgegeben: Wer würde dann die Universität entschädigen?

Standard: Man könnte die ganze Frage auch so sehen, dass die Politik Verantwortung an die Universitäten delegiert. Das könnte Ihnen doch auch recht sein, da könnten Sie die Autonomie der Universitäten, die am Papier steht, auch einmal mit Leben anfüllen.

Schmidinger: Wir sind dazu bereit und wollen uns nicht vor der Autonomie drücken, keineswegs. Sie auszuüben kann aber nur auf einer klaren rechtlichen Basis erfolgen. Wenn sich herausstellt, was rechtens ist und gesetzlich hält, werden wir das auch umsetzen und beispielsweise Studiengebühren einheben.

Standard: Aber lieber wäre es Ihnen, SPÖ und ÖVP einigen sich und treffen gemeinsam eine Entscheidung.

Schmidinger: Das muss die Politik tun, das ist ihre Verantwortung. Sie dürfen nicht vergessen: Bisher hat uns die Regierung völlig außen vor gelassen. Die Politik hat die Universitäten nicht eingebunden, als sie die Studiengebühren eingeführt hat, und sie hat die Universitäten nicht eingebunden, als sie die Gebühren wieder ausgesetzt hat. Die Politik hat sich nicht mit den Universitäten verständigt, im Gegenteil. Es ist uns immer wieder gesagt worden, die Frage der Studiengebühren liege nicht im Bereich unserer Autonomie. Jetzt diese heiße Kartoffel an die Universitäten ohne Wenn und Aber weiterzureichen, geht nicht.

Standard: Vizekanzler Spindelegger hat im Interview auch erklärt, an den Universitäten müsste mehr und besser gearbeitet werden, zur Bewältigung des Andrangs müssten mehr Lehrveranstaltungen und mehr Prüfungstermine angesetzt werden. Was sagen Sie dazu?

Schmidinger: Da muss ich mich wirklich fragen, wann der geschätzte Herr Vizekanzler zuletzt eine Universität von innen gesehen hat. Den Universitäten ist sehr wohl bewusst, dass es immer Reformen und Qualitätsverbesserung braucht. Das ist selbstverständlich. Gerade die Universitäten haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie sich bewegen. Die Reformprozesse, die seit dem Universitätsgesetz 2002 umgesetzt wurden, können sich wirklich sehen lassen. Was die sogenannten Massenfächer anbelangt, so tun wir bereits im Übermaß, was der Vizekanzler fordert. Natürlich setzen wir mehr Lehrveranstaltungen und mehr Prüfungstermine an. Wir halten Lehrveranstaltungen auch außerhalb der üblichen Zeiten ab. Aber es gibt Grenzen. Ich kann zum Beispiel keinem Lehrenden zumuten, noch mehr als hundert Diplomarbeiten zu betreuen. Da gibt es einfach Kapazitätsgrenzen, über die hinaus geht nichts mehr.

Standard: Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Schmidinger: Dass es an den Universitäten zu Kapazitätsfeststellungen kommt und dass man dann darauf reagiert. Im Augenblick ist es so, dass man den Universitäten zumutet, in unbegrenzter Zahl Studierende aufzunehmen, um ihnen dann zum Vorwurf zu machen, sie seien nicht fähig, den Andrang nicht bewältigen. Das ist nicht fair. (Michael Völker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.10.2011)