Ein bunter Abend, der amüsiertechnisch durchaus verausgabt: Christoph Grissemann und Dirk Stermann im Rabenhof.

Foto: Rabenhof Theater

Wien - Die Settings ihrer Programme basieren von jeher darauf, Scheidungsdramen von Elisabeth Taylor und Richard Burton nachzustellen. Ein Tisch, reichlich Alkohol und zwei Jahrzehnte Verbitterung und Ehefrust reichen aus, um einem vielleicht ein letztes Mal aneinandergeratenden Paar wortreich die Gelegenheit zu bieten, ihr Innerstes nach außen zu kehren.

Auch in Stermann, dem neuen Stück von Christoph Grissemann und Dirk Stermann, gewähren sich die zwei Kabarettisten reichlich Raum, um sich nach Strich und Faden derart anzufeinden, dass sich im Publikum trotz all der grundsätzlichen Bereitschaft zur uneingeschränkten Heiterkeit manchmal zarte Beklemmung breitmacht.

Sobald es ans Eingemachte geht, vergisst man ja gern einmal, dass zwischen Bühnenfigur und Privatperson grundsätzlich ein Unterschied bestehen sollte oder früher einmal bestanden hat. Fragen Sie Karl Merkatz. Der brauchte Jahre, bis er den Mundl abgestreift hatte, weil ihn seither alle auf der Straße für den Bockerer halten.

Nackt in Windhose

Dirk Stermann steht also als Held eines selbstverfassten und Stermann benannten Stücks auf der Bühne des Wiener Rabenhofs. Für Christoph Grissemann hätte er - man bleibt sich nicht gern etwas schuldig - eigentlich nur vorgesehen gehabt, dass dieser gleich zu Beginn nackt in Windelhose über die Bühne spaziert, damit das auch erledigt ist.

Grissemann spaziert nackt in Windelhose über die Bühne. Zum Leidwesen seines heuer auch als Bestsellerautor (sechs Österreicher unter den ersten fünf) in Erscheinung getretenen Kollegen wird er sich aber bald darauf bekleidet doch auch auf die Bühne setzen und versuchen, den bunten Abend mit Geschichten aus seiner traurigen Kindheit, Hahnenkämpfen in Sachen Depressionsschilderungen oder fiktiven Grabreden zu unterlaufen.

Alte Qualitäten

Stermann tut einem als Stermann jetzt fast leid. Zum Glück besinnt man sich zwischendurch gemeinsam auf alte Qualitäten und reißt geschmacklose Witze über Barbara Karlich und probiotische Verdauungsgetränke oder über das Schnitzelessen in Kabul, das mit einer Burka zum Problem werden könnte, wenn das Auge nicht mitessen würde. Essen und Trinken, das geht immer.

Es gibt über Zuspielung auf Leinwand auch eine George-Clooney-Espressowerbungs-Paraphrase und eine Folge aus ihrer beliebten Reihe Frisch gekocht mit Andi und Alex. Grissemann taucht als Bundespräsident Heinz Fischer auf, den er als eine Mischung aus Grüßaugust und Naziraketenbauer Doktor Seltsam anlegt. Gefilmte Witze sind im Fernsehen wie auf der Bühne vielfach verwertbar. Und zwischen Windelhose und Anzug hat man ohnehin schon einen lästigen Kostümwechsel hinter sich.

Bis zur Pause hat man sich ausgiebig amüsiert. Man ist aber auch versucht festzustellen, dass viele Gags sehr gut und manche etwas bärtig geraten sind - die versemmelte Pointe und der Holzhammer werden von Grissemann/Stermann allerdings auch schon immer verwendet. Nach der Pause wird sich nicht viel daran ändern. Auf den Handlungsrahmen, auf den das Duo noch nie besonderen Wert legte, wird einmal mehr kein besonderer Wert gelegt.

Nach zwei Stunden verlässt man den bunten Abend dennoch mit dem Gefühl, sich amüsiertechnisch einigermaßen verausgabt zu haben. Mit einem Spielergebnis von null zu null fahren die beiden Entertainer wieder einmal einen verdienten Heimsieg im Rabenhof-Theater ein. Nichts Neues unter der Sonne. Aber die ist am Abend eh nicht mehr dabei. (Christian Schachinger, DER STANDARD - Printausgabe, 24. Oktober 2011)