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Mustafa Abdul Jalil ist der Vorsitzende des Übergangsrates.

Foto: David Sperry/AP/dapd

In Bengasi wird gefeiert: Zehntausende versammelten sich zu einem Festakt, bei dem der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil, den Sieg über das Gaddafi-Regime offiziell verkündete. (Hier finden Sie unsere Reportage aus Bengasi.) Dabei versprach Jalil, dass die Basis für das neue Libyen die islamische Rechtsprechung - die Scharia - werde.

Jalil machte sich für eine islamische Orientierung Libyens stark: "Bei uns ist das islamische Recht die Grundlage der Rechtsordnung", erklärte Jalil. "Ein Gesetz, das dem islamischen Recht widerspricht, ist null und nichtig." Gleichzeitig rief zur Versöhnung und Toleranz auf. Die Libyer sollten das Recht nicht in die eigene Hand nehmen.

In diesem Sinne sei auch das geltende libysche Eherecht zurückzuweisen, das die Zahl der Frauen für einen Muslim begrenzt. Man werde auch islamische Banken gründen, die keine Zinsen verlangen. Er warnte vor einer Spaltung des Landes. "Wir sind alle Brüder geworden, was wir lange Zeit nicht waren."

Nun soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese solle dann bis Juni 2012 Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten, kündigte Jalil an. Dieses Gremium soll eine Verfassung ausarbeiten, auf deren Grundlage innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden.

Neue libysche Machthaber sichern moderate Politik zu

Die neuen Machthaber in Libyen versuchen, Bedenken der Staatengemeinschaft über eine mögliche Hinwendung des Landes zum radikalen Islam zu zerstreuen. Libyer seien moderate Muslime, beteuerte der Chef des Übergangsrates, Abdel Jalil, am Montag. Zuvor hatte Jalil erklärt, die Scharia werde die Grundlage des künftigen Rechtssystems bilden. Jedes Gesetz, das gegen die strengen islamischen Vorgaben der Scharia verstoße, sei nicht mehr rechtskräftig, erklärte er in einer Rede an die Nation. Zudem solle ein Bankensystem nach islamischem Recht eingeführt werden, kündigte Jalil an.

Weiter keine Pläne für Beisetzung Gaddafis

Vier Tage nach dem Tod Muammar al-Gaddafis steht die Beisetzung des ehemaligen libyschen Machthabers weiter aus. Auch am Montag blieb die Leiche Gaddafis und seines Sohns Mutassim in der Küstenstadt Misrata öffentlich zur Schau gestellt. Tausende standen trotz Verwesungsgeruchs Schlange, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen, der 42 Jahre in Libyen an der Macht war. Pläne zur Beisetzung gab es noch nicht.

Berichte über Massenhinrichtungen von Gaddafi-Anhängern in Sirte

In Gaddafis Heimatstadt Sirte soll es zu Massenhinrichtungen seiner Anhänger durch Kämpfer der neuen Führung des Landes gegeben. Wie die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Montag mitteilte, wurden am Sonntag in einem leerstehenden Hotel der Küstenstadt Sirte 53 bereits verwesende Leichen gefunden. Einige der Toten auf dem Rasen im Garten des Hotels hatten demnach die Hände hinter dem Rücken gefesselt.

Das Gebiet um das Hotel El Mahari sei seit Anfang Oktober von Anti-Gaddafi-Kämpfern aus der Stadt Misrata kontrolliert worden, hieß es unter Berufung auf Augenzeugen. Der Zustand der Opfer lasse darauf schließen, dass sie zwischen dem 14. und 19. Oktober getötet worden seien, sagte der HRW-Experte Peter Bouckaert nach entsprechenden Untersuchungen. Die in New York ansässige Organisation forderte den Nationalen Übergangsrat auf, umgehend Ermittlungen einzuleiten und die Verantwortlichen für das Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen.

Ein AFP-Journalist hatte am Sonntag auf dem Hotelrasen mehr als 60 Leichen gesehen, einige davon gefesselt, viele mit Schusswunden im Kopf. Für den Nationalen Übergangsrat tätige Kämpfer erklärten, das Hotel habe den Gaddafi-Männern als Gefängnis für ihre Leute gedient. Sie hätten es am Donnerstag entdeckt, als Gaddafi umgebracht wurde, und seien überzeugt gewesen, dass die Gaddafi-Truppen vor ihrer Flucht die Gefangenen getötet hätten.(flog/derStandard.at, APA)