Film als Trägermaterial - und damit als Kunstform - wird auch auf der Viennale immer seltener. Man muss kein Purist sein, um dies zu bedauern; dennoch bleibt es abzuwarten, auf welche Arten sich eine jüngere Generation, in vielleicht anderen Kontexten als dem Mainstream-Film, wieder darauf zurückbesinnen wird.
Der uruguayische Regisseur Federico Veiroj greift solche Fragestellungen in seinem zweiten Spielfilm, La vida útil (A Useful Life), auf: In grobkörnigem Schwarzweiß erzählt er vom Verschwinden einer Kinokultur, von der Cinémathèque von Montevideo und ihrer rührigen Belegschaft, die um das Überleben der Institution kämpft. Die Mängel des Kinos präsentiert Veiroj mit liebevollem Blick, als wären es die Falten eines alten Menschen. Das Interieur wirkt wie aus den 70er-Jahren, die speckigen Kinositze sind eingerissen. Die Projektoren sind so veraltet, dass nicht alle Filme im richtigen Format vorgeführt werden können. Auch die Mitgliederzahlen gehen Monat für Monat zurück. Nun dreht der Hauptfinanzier des Kinos auch noch den Förderhahn zu.
Doch La vida útil vergräbt sich nicht in Melancholie, sondern versteht sich als emphatische Würdigung einer Haltung, die in anderen Zusammenhängen überlebt. Manuel Martínez Carrilo, der Cinémathèque-Direktor, spielt sich hier selbst, seinen treuen Gefährten, der seit 25 Jahren im Einsatz ist, verkörpert der Filmkritiker Jorge Jellinek, ein Ritter von der traurigen Gestalt, um dessen Leben ohne Filmkunst man eigentlich bangen müsste.
Federico Veiroj überrascht allerdings mit einer schönen Volte, indem er Jellinek selbst zur Kinofigur werden lässt, eines Kinos wohlgemerkt, das sich ähnlich den Erneuerungsbewegungen des letzten Jahrhunderts an der Wirklichkeit orientiert. Den Quasi-Dokumentarismus des Films unterlegt er dabei mit klassischer Filmmusik. Jellinek, der Apologet des Kinos, entscheidet sich für das Offene: Er entdeckt das Leben als den besseren Film. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 25./26. Oktober 2011)