Einigung in letzter Sekunde: Die Spitzen der Eurozone haben in der Nacht auf Donnerstag wohl das Schlimmste verhindert. Aber das Bild, das sie bis dahin abgegeben haben (und womöglich in den nächsten Tagen wieder abgeben werden), bleibt höchst unbefriedigend.

Das hängt mit der Größe der Aufgabe zusammen: Eine Schuldenkrise zu meistern ist wohl das schwerste, was Regierungen in Friedenszeiten auf ihrem Teller haben können.

Erschwert wird alles durch die Strukturen der EU und der Eurozone, dem Fehlen starker zentraler Institutionen und den Interessenskonflikten zwischen den Nationalstaaten.

Aber der wichtigste Negativfaktor bleibt die Qualität der politischen Führung in Europa. Nostalgische Erinnerungen an frühere große Persönlichkeiten sind meist verklärt, aber auch ganz nüchtern lässt sich feststellen, dass Europas Staats- und Regierungschefs heute weniger stark und zum Teil auch weniger kompetent sind als ihre Vorgänger- und Vorvorgängergeneration. Und das schlägt in diesen Tagen voll auf den Zustand der Union durch.

Zuerst einmal Deutschland: Angela Merkel ist – leider – die schwächste Bundeskanzlerin seit Menschengedenken, genauer gesagt seit Kurt Georg Kiesinger, der der großen Koalition in den späten sechziger Jahren vorstand.

Merkel besitzt zwar mehr Integrität als Gerhard Schröder, aber der SP-Kanzler hätte sich in einer solchen Krise nicht von Koalitionspartnern und Dissidenten in der Partei treiben lassen. Er hätte sich am Ende durchgesetzt. Zu seinem Glück hatte Schröder einen Mann wie Joschka Fischer auf seiner Seite, und mit dem grünen Außenminister kann es kein FDP-Politiker aufnehmen.

Auch Helmut Kohl hätte sicherlich politisch geschickter und durchschlagskräftiger agiert als sein einstiger Protegé  Merkel. Sie ist eindeutig die größte individuelle Schwachstelle in der EU.

Auf Silvio Berlusconi muss man nicht viele Worte verlieren. So schwach auch Romano Prodi als Premier manchmal war, so wenig profiliert andere Regierungschefs aus dem linken Lager- niemand hat das Land so sehr ins wirtschaftliche, politische und moralische Out gedrängt wie der Cavaliere.

Die italienische Finanzkrise ist zum Großteil Berlusconis Werk – verursacht durch versäumte Reformen und ein Totalverlust der Glaubwürdigkeit gegenüber Finanzmärkten und EU-Partnern an der italienischen Regierungsspitze.

Nicolas Sarkozy hätte das Zeug für eine europäische Führungsfigur, und er hat in seiner Amtszeit zumindest vieles Richtige versucht. Bei ihm ist es seine obsessiv-neurotische Persönlichkeit, die ihn bei den Wählern so unbeliebt gemacht hat, dass er trotz der großen Autorität seines Amtes kaum noch politischen Spielraum hat.  Das macht ihn fast ebenso ineffektiv wie sein wankelmütiger Vorgänger Jacques Chirac es war.

Auch Spanien hat mit José Luis Zapatero einen Regierungschef, der den Herausforderungen nicht gewachsen ist. Sein sozialistischer Vorgänger Felipe Gonzalez hätte zumindest nach Ausbruch der Finanzkrise mehr Reformen durchgesetzt und zumindest in den Märkten mehr Vertrauen erworben als der hoch anständige, aber entscheidungsschwache „Bambi“.

In Großbritannien ist die Qualität der Führung ungefähr gleichgeblieben. David Cameron ist nicht auffallend besser oder schlechter als Tony Blair oder Gordon Brown. Aber in der Eurokrise spielt sein Land kaum eine Rolle.

Auch unter den kleineren Staaten sticht am ehesten Fredrik Reinfeldt hervor, der Premier von Schweden, das auch nicht zur Eurozone gehört. Belgien hat seit Jahren keine Regierung, die niederländische ist vom Rechtspopulisten Geert Wilders abhängig, und die neue politische Führung in Finnland ist auch vor allem darum besorgt, innenpolitische Kritik der „Wahren Finnen“ abzuwehren.

Auch Österreich passt in dieses Bild: Werner Faymann ist der schwächste und in intellektuell beschränkteste Bundeskanzler der Zweiten Republik. Im Vergleich zu ihm war Fred Sinowatz entscheidungsfreudig und Viktor Klima ein tiefschürfender Denker. Faymann spielt in der EU praktisch keine Rolle, seine seltenen Wortmeldungen werden von den Partnern geflissentlich ignoriert.

Das einzige Land, dass heute besser regiert wird als früher, ist jenes, das es am meisten nötig hat: Griechenland. Georgios Papandreou leistet fast Übermenschliches, um sein Land vor der totalen Katastrophe zu retten und springt dabei mehrfach über alle ideologischen Schatten. Unterstützung erhält er dabei von seinem tatkräftigen Finanzminister Evangelos Venizelos, der die rastlose Partei zusammenhält.

Allerdings dürfte all das wenig nützen: Papandreous Vorgänger aus dem linken wie dem rechten Lager, allen voran sein Vater Andreas, haben den Karren über Jahrzehnte so tief in den Dreck gefahren, dass nicht einmal die stärksten Persönlichkeiten das Land und seine Leute vor der Wirtschaftskatastrophe retten können - mit und ohne Schuldenschnitt.   

Aber es ist schade, dass Politiker vom Schlage Papandreous heute nicht in Berlin, Paris oder Rom regieren.