Bild nicht mehr verfügbar.

Die amtierende irische Präsidenten Mary McAleese (rechts) und die britische Königin Elizabeth II.

Foto: Peter Morrison/AP/dapd

Seit 21 Jahren wird Irland nach außen von Rechtsprofessorinnen repräsentiert. Nacheinander weiteten die progressive Mary Robinson und die Nordirin Mary McAleese den eng umgrenzten Einflussbereich des Präsidentenamts aus und erwarben sich den Respekt der Bevölkerung. Die fehlenden konkreten Kompetenzen führten diesmal jedoch dazu, dass der Wahlkampf zur Persönlichkeitswahl mutierte, teils zur Schlammschlacht entartete.

Der zunächst populärste Kandidat, der Literaturprofessor David Norris, stolperte über Gnadengesuche, die er an die israelische Justiz geschickt hatte, nachdem sein Ex-Partner wegen Beischlafs mit einem Minderjährigen verurteilt worden war. Die ehemalige Siegerin des Eurovision Song Contests, die katholisch-konservative Dana Rosemary Scallon, musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, sie habe den sexuellen Missbrauch ihrer Nichte durch ihren Bruder vertuscht.

Der partei- und farblosen Mary Davis, die sich große Verdienste um die Behinderten-Olympiade erworben hatte, wurde vorgehalten, sie habe in Zeiten des Booms in allzu vielen Aufsichtsräten gesessen, während der Kleinunternehmer Seán Gallagher, der letztes Wochenende noch als klarer Favorit gegolten hatte, als willfähriger Parteisoldat der diskreditierten Fianna-Fáil-Partei entlarvt wurde, der sich überdies in Widersprüche verstrickte.

Eigenartigerweise erwies sich der Vertreter der Regierungspartei, Gay Mitchell, ein seriöser, erfahrener Politiker, von Anfang an als unwählbar. Sein aggressives Verhalten stieß bei den Wählern auf Ablehnung. Umgekehrt verhielt es sich bei Kandidaten der ebenfalls regierenden, aber viel kleineren Labour-Partei: Der 70-jährige Michael D. Higgins, ein Politologe, der in seiner Freizeit Gedichte schreibt, gilt nun als Favorit. Da das irische Wahlsystem ein Präferenzwahlsystem ist, zählt bei einem großen Kandidatenfeld nicht nur die Beliebtheit, sondern ihre allgemeine Verträglichkeit.

Genau an diesem Punkt wohl ist der interessanteste Kandidat gescheitert: Martin McGuinness, der für die Sinn-Féin-Partei ins Rennen stieg. Er war führender Kommandant der Irisch-Republikanischen Armee und saß zweimal im Gefängnis. Im Gegensatz zur Lehrmeinung versteifte er sich darauf, er habe die IRA schon 1974 verlassen. Die Angehörigen von Polizisten und Soldaten, die von der IRA ermordet worden waren, zogen den Kandidaten mehrfach zur Rechenschaft. Seine Verdienste als Friedensstifter wurden davon überschattet. Die Resultate werden für Freitagabend erwartet. (Martin Alioth aus Dublin/DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2011)