Nokias Windows Phone 7-Flaggschiff, das Lumia 800

Foto: Birgit Riegler

Am User Interface von WP7 hat Nokia nichts verändert, nur einige eigenen Apps in Metro-Optik vorinstalliert ...

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... wie etwa Nokia Music.

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Das 710 ist das billigere der beiden Lumia-Modelle.

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Nokia-CEO Steven Elop hat auf der Hausmesse des finnischen Herstellers in London am Mittwoch keine Überraschungen aus dem Hut gezaubert. Informationen zu den beiden Windows Phone Mango-Geräten Lumia 800 und 710 sind bereits Tage zuvor ins Web gesickert. Für das 800 hat der finnische Hersteller das Design des Meego-Geräts N9 wiederverwertet, das 710 präsentiert sich mit abgespeckter Hardware und schlichterer Hülle. Der WebStandard konnte beide Geräte vor Ort kurz ausprobieren.

Lumia 800 im N9-Design

Das Lumia 800 gilt als Nokias Flaggschiff zum Einstieg in die Windows Phone-Plattform. Eine "Schönheit" außen und ein "Biest" im Inneren wurde das neue Modell von einem sehr enthusiastischen Kevin Shields, Senior Vice President of Mobile Smart Devices, im Rahmen der Keynote präsentiert. Das Design fiel schon beim N9 auf - das Polycarbonat-Gehäuse in Schwarz, Cyan oder Magenta sticht nicht nur optisch hervor, sondern verlieht dem Gerät ein abgerundetes und robustes Finish.

Mit kleinen Änderungen

Für Windows Phone hat Nokia dennoch einige Änderungen vornehmen müssen. So befinden sich unter dem Display die von Microsoft geforderten physikalischen Tasten für Homescreen, Zurück und Suche. Beim Display hat Nokia dementsprechend jedoch 0,2 Zoll "abzwicken" müssen. Das 3,7 Zoll große "ClearBlack"-AMOLED-Display mit 480 x 800 Pixel bietet leuchtende, kräftige Farben und einen guten Kontrast. Wie beim Meego-Gerät ist das Display aus Gorilla-Glas am Rand leicht abgerundet.

Keine Frontkamera

Vom N9 hat es auch die 8-Megapixel-Kamera mit Carl Zeiss-Linse und auf das 800 geschafft. Auf die Frontkamera hat Nokia jedoch überraschend verzichtet. Einfache Videotelefonie, wie es unter iOS und Android unterstützt wird, ist auf Nokias ersten Windows Phones nicht möglich, was vor allem angesichts Microsofts Übernahme von Skype etwas seltsam anmutet. Gegenüber dem WebStandard gab Nikki Barton, Vice President of Smart Devices UX Design, etwas vage an, dass man möglichst schnell ein Windows Phone-Gerät auf den Markt bringen wollte. Dass es die Frontkamera dabei nichts ins Gerät geschafft hat, sei jedenfalls keine Design-Entscheidung gewesen.

Single Core

Bei den restlichen Komponenten brüllt das "Biest" zumindest am Papier nicht so laut wie die Smartphone-Flaggschiffe der Konkurrenz - so sind "nur" ein Single-Core-Prozessor mit 1,4 GHz und 512 MB RAM verbaut. In der kurzen Zeit, die der WebStandard mit dem Gerät verbringen konnte, lieferte es jedoch eine gute Performance. Das Scrollen am Homescreen mit den Live-Kacheln und das Öffnen von Apps funktioniert am 800 sehr flüssig. Auch Anwendungen wie Nokia Maps zeigen keine Performance-Schwächen. Ein Wermutstropfen: der Speicher von 16 GB lässt sich nicht durch Speicherkarten erweitern.

Lumia 710

Das zweite Windows Phone von Nokia, das Lumia 710, bietet eine schwächere Hardware-Ausstattung. Dem Lumia 800 gleich sind der 1,4 GHz schnelle Single Core-Prozessor, ein 3,7 Zoll großes Display und 512 MB RAM. Beim "ClearBlack"-Touchscreen des 710 handelt es sich jedoch nicht um ein AMOLED-Display, sondern ein LCD. Die Kamera löst außerdem mit 5 statt 8 Megapixeln auf. Der nur 8 GB große Speicher kann wie auch beim größeren Lumia-Bruder 800 nicht durch micro-SD-Karten erweitert werden. Wie beim 800er-Modell zeigte auch das billigere Lumia im Kurztest eine flüssige Benutzeroberfläche.

Verarbeitung

Der auffälligste Unterschied zwischen beiden Geräten liegt beim Gehäuse. Das 710 fühlt sich weniger stabil als das 800 - dass das Plastik-Gehäuse schnell verschmiert, konnte im Hands-on schon nach wenigen Minuten beobachtet werden. An der Verarbeitung kann jedoch nichts beanstandet werden, zumal die Fertigung auch beim billigeren 710 nahtlos ist.

Nokia Apps

Was das Betriebssystem und die Benutzeroberfläche angeht, so hat Nokia keine Änderungen an Windows Phone 7.5 Mango vorgenommen. Stattdessen hat der Hersteller seine wichtigsten Apps an das Metro-Interface angepasst und vorinstalliert. Dazu gehören Nokia Music, Maps mit Turn-by-Turn-Navigation und eine App-Auswahl. Mit dem Musik-Dienst, der automatische Radio Mixes erstellt und ohne Registierung und Anmeldung genutzt werden kann, aber auch mit dem kostenlosen Kartendienst mit Download-Funktion, kann Nokia weiteren Mehrwert in die Partnerschaft einbringen.

Preisentscheidung

Was Nokias Mango-Geräte von anderen Windows Phones am deutlichsten abhebt? Der Preis. Hier haben die Finnen unter Führung des ehemaligen Microsoft-Managers Elop die Grenze von 600 Euro deutlich unterboten. Aktuelle Smartphone-Flaggschiffe wie das Galaxy Nexus oder das iPhone 4S aber auch andere Windows Phones und das N9 liegen - allerdings aufgrund besserer Hardware-Ausstattung - darüber. Das Lumia 800 wird von Nokia mit der unverbindlichen Preisempfehlung von 420 ausgewiesen, das 710 um 270 Euro (Steuern noch nicht inkludiert). Das verspricht bei den Providern zusammen mit einem entsprechenden Tarif durchaus attraktive Angebote.

Österreich-Start im Jänner?

Ob die User Nokias Entscheidung auf Windows Phone zu setzen honorieren werden, bleibt abzuwarten. Kunden, die an der Microsoft-Plattform bislang nicht interessiert waren, werden von den Lumias wohl schwer zu überzeugen sein. Umgekehrt kann Nokia auch jene Clientel nicht bedienen, die nach der schnellsten Hardware sucht. Beide Lumias kommen bereits in den nächsten Wochen auf den Markt und stehen damit zumindest in einigen Ländern zu Weihnachten in den Läden. Nach Österreich kommen die Smartphones erst 2012, aus Unternehmens-Kreisen heißt es, dass allerdings schon im Jänner soweit sein soll. (Birgit Riegler aus London/derStandard.at, 31. Oktober 2011)