Altkanzler Franz Vranitzky zeigt sich besorgt über die Substanzlosigkeit der Europapolitik der Regierung im Allgemeinen und seines Nachfolgers als Kanzler im Besonderen: Anstatt Linie vorzugeben, zu mobilisieren, beschränke sich dieser auf "plebiszitäre Aktivitäten". Einfache Schlagworte seien wichtiger als Zukunftsideen.
Vranitzky nennt Faymann zwar nicht beim Namen, aber es ist klar, wen er meint, wenn er festhält: "Wer immer nur mit dem Strom schwimmt, ruft irgendwann kein Interesse mehr hervor." Ein vernichtendes Urteil.
Der Mangel an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Union sorgt auch in immer weiteren Kreisen der SPÖ - jenseits von Laura Rudas' zwitschernder Politmarketingtruppe - für Unruhe. Die Hauptsorge: Die "Menschen draußen" hätten schlicht Angst um ihr Geld und vor dem Absturz in Europa, der alle mitreißen würde.
Aber Faymann verstecke sich, komme über Stehsätze kaum hinaus, habe nicht den Mut, sich den Bürgern öffentlich zu stellen, zu kämpfen, zu erklären, warum Österreich sich an gigantischen Euro-Hilfspaketen beteiligt. Die FPÖ könne sich genüsslich zurücklehnen - und räume beim Wähler trotzdem ab.
Dabei hat Faymann auch noch Pech: Die Österreicher können Bundestagsdebatten und Kanzlerin Angela Merkel anhören, um zu begreifen, was in Europa gerade auf dem Spiel steht. Das lässt ihn umso blasser aussehen. (DER STANDARD; Printausgabe, 27.10.2011)