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iBio: quasi Steve Jobs' letzte App, von Walter Isaacson verfasst und ab heute auch auf Deutsch erhältlich. Bei Amazon bereits auf dem Weg zum Bestseller des Jahres.

Foto: Reuters

Seine Erscheinung entsprach nicht gerade dem, wie man sich einen erfolgreichen Jungunternehmer vorstellt. Ein langhaariger, ungewaschener, barfüßiger Hippie im Stil von John Lennon, der ausrasten und Freunde niedermachen konnte und dann wieder in Tränen ausbrach, wenn er Ideen nicht durchsetzen konnte. Phasenweise war er spindeldürr, wenn er wieder einmal eine seiner extremen Obstdiäten durchzog - und obendrein Körpergeruch, der dazu führte, dass er bei Gelegenheitsjobs bei Spielehersteller Artari zu Nachtschichten verbannt wurde, weil keiner mit ihm arbeiten wollte.

2004 kam der Anruf

In seiner heute, Donnerstag, auf Deutsch erscheinenden Biografie Steve Jobs zeichnet der frühere Time- und CNN-Redakteur Walter Isaacson ein wenig schmeichelhaftes Bild des jungen Mannes, aus dem einer der einflussreichsten Unternehmer unserer Zeit wurde. Der Franklin- und Einstein-Biograf beschreibt auch die Entstehungsgeschichte: 2004 hätte ihn Jobs, mit dem er als Journalist bekannt war, angerufen und gefragt, ob er eine Biografie über ihn schreiben würde. Isaacson lehnte ab; allenfalls in ein paar Jahrzehnten, nach Jobs Ausscheiden bei Apple, käme das für ihn infrage. Erst danach wurde Isaacson klar, dass Jobs bereits von seinem Krebs wusste und nach einem Vertrauten suchte, dem er seine Geschichte erzählen konnte. "Damit meine Kinder wissen, wer ich war", erklärte er seinem Biografen den Grund, warum er sich für dieses Buch in den letzten Jahren in zahlreichen Gesprächen öffnete.

Kein Weichzeichner

Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Jobs und seinem Biografen führte jedoch zu keiner Hagiografie: Isaacson erzählt eine sehr detaillierte, geradlinige Geschichte, auch der Widersprüchlichkeit und wenig angenehmen Seiten seines Subjekts, die in diesen Jahrzehnten sowohl seine Familie, wie die von ihm anfangs bestrittene, erst später angenommene erste Tochter Lisa, als auch zahlreiche Freunde und Kollegen schmerzlich erfahren mussten.

LSD und Computer Club

Vieles ist bekannt, aus früheren Porträts, vom Adoptivkind, das trotz seiner liebevollen Beziehung mit seinen Adoptiveltern als College-Dropout von Haschisch und LSD bis zum Indientrip und Zen nichts unversucht ließ, um mit dem Gefühl zurechtzukommen, verstoßen worden zu sein. Oder vom Elektronikbastler, der sich vom Homebrew Computer Club ebenso angezogen fühlte wie von Moby Dick, König Lear, Bob Dylan und esoterischer Philosophie.

Isaacson schafft es jedoch dabei herauszuarbeiten, wie gerade die Kreuzung zwischen kalifornischer Hippiekultur der 60er-Jahre und den glorifizierten Erfindern und Ingenieuren des Silicon Valley zur spannendsten Schnittstelle des vergangenen Jahrhunderts wurde. Der Computer, von der Gegenkultur zuerst als Instrument der Unterdrückung durch zentrale Mächte verabscheut, wurde in der Gestalt, die ihm Jobs gab, zum Instrument einer tiefgreifenden kulturellen Veränderung. "The computer for the rest of us": Das war die Eigendefinition, mit der 1984 der Mac auf den Markt kam.

Akribisch recherchiert

Dabei ist Isaacson weit davon entfernt, all dies einfach Jobs zuzuschreiben. In akribischer Recherche ist er den vielen prägenden Einflüssen auf dieser Reise nachgegangen, von Collegefreunden bis zum (technisch begabteren) Mitgründer Steve Wozniak; von Jobs Mentoren bis zu Feinden, von denen er sich entlang des Weges einige gemacht hatte.

"Reality distortion field" war eine von Jobs frühen Zen-Entdeckungen: Wenn man nur lange genug an eine Sache glaubt, wird sie auch Realität (er starrte auch Menschen so lange an, bis sie nachgaben). In vielen Bereichen hat ihm dies genützt und uns neue Realitäten beschert, von der Musik aus dem iTunes-Store bis zum iPhone. Aber auf berührende Weise erzählte Jobs auch sein Scheitern, da er zunächst glaubte, damit auch seinen Krebs bezwingen zu können. Neun Monate setzte er auf Alternativbehandlungen, ehe er sich Operation und Chemo unterzog. Frühere Einsicht hätte ihm vielleicht das Leben gerettet: Diese Lernerfahrung kam zu spät. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 27.10.2011)

Walter Isaacson: "Steve Jobs. Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers", München, Bertelsmann, 24,99 Euro. Die Erstauflage umfasse 250.000 Exemplare.