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Aufmarsch der Polit-Prominenz in Brüssel: Angela Merkel und Jean-Claude Juncker, ...

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... Giorgos Papandreou ...

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... und Silvio Berlusconi und die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt.

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Der Aderlass für Griechenland beschränkt sich nicht auf die privaten Gläubiger, auch die Europartnern müssen nachlegen.

 

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Habemus Haircut. Um 3.30 Uhr kam die erlösende Nachricht, von der die Deutsche Presseagentur nicht ganz zufällig als erstes Medium Wind bekam. In den harten Verhandlungen war es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die nicht lockerließ. Nachdem die Verhandlungen zwischen EU-Experten unter Führung des Italieners Vittorio Grilli, der dem Wirtschafts- und Währungsausschuss vorsitzt, und dem Weltbankverband IIF festgefahren waren, wurde der Eurogipfel unterbrochen. Die deutsche Kanzlerin, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde nahmen IIF-Direktor Charles Dallara so lange ins Gebet, bis weißer Rauch aufstieg.

Nicht ohne Stolz verkündete Merkel kurz vor Morgengrauen die Eckpunkte des griechischen Schuldenschnitts. Die privaten Gläubiger verzichten auf 50 Prozent ihrer Forderungen von gut 200 Milliarden Euro, erklärte die Kanzlerin zufrieden: "Insgesamt ist das ein sehr erfolgreicher Gipfel", der den Schuldenstand Athens von derzeit rund 165 Prozent auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 drücken werde.

Lücken und Tücken

Erst Schritt für Schritt wurden dann die Lücken und Tücken des Deals bekannt. So steht dem Verzicht der privaten Gläubiger eine öffentliche Garantie im Ausmaß von 30 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds EFSF gegenüber, die von Athen zur Hälfte über zusätzliche Privatisierungen abgearbeitet werden soll. Angesichts des bisherigen Rückstands Griechenlands beim Verkauf staatlichen Eigentums, mit dem 50 Milliarden Euro erlöst werden sollen, eine ziemlich ambitionierte Annahme.

Mit der Garantie soll jedenfalls sichergestellt werden, dass die Papiere nach dem Tausch von alten in neue Staatsanleihen nicht neuerlich ausfallsgefährdet sind. Manche Experten sehen den tatsächlichen Haircut durch dieses Zuckerl bereits von 50 in Richtung 30 Prozent schrumpfen.

Überdies gibt es noch keinerlei Details über die Konditionen (Laufzeit, Zinssatz) des Anleihentausches, die sich maßgeblich auf den tatsächlichen Aderlass der Gläubiger auswirken können. Und ebenfalls ist unklar, inwieweit die Geldgeber das Angebot auch annehmen. Der IIF spricht zwar für die größten Banken der Welt; auch Dallara, Präsident im IIF, und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zeigten sich optimistisch. Allerdings hat der Verband kein direktes Mandat für seine Mitglieder. Schon gar nicht repräsentativ ist die Vereinigung für Pensions-, Investment- und Hedgefonds, die das Angebot ebenfalls ablehnen könnten, womit die von den Eurospitzen angestrebte Freiwilligkeit der Vereinbarung hinfällig wäre.

Das hätte dann die gefürchtete Herabstufung Griechenlands auf Default durch die Ratingagenturen zur Folge und würde zudem die Auszahlung von Kreditausfallsversicherungen - Credit Default Swaps (CDS) - nach sich ziehen. All diese Fragen sollen bis Dezember beantwortet, der Umtausch der Anleihen dann im Jänner durchgezogen werden.

Weitere Kehrseite der Medaille: Die Steuerzahler müssen noch tiefer in die Tasche greifen, wird doch das zweite Hilfspaket für Griechenland von 109 auf 130 Milliarden Euro aufgestockt. Merkel verteidigte den Schritt etwas hämisch damit, dass der Beitrag der Privaten immer noch höher sei als jener der öffentlichen Gläubiger. Einige Beobachter zeigten sich verwundert über das Bild, das die Kanzlerin von ihren Geldgebern zeichnete.

Verstaatlichungswelle

Der Schuldenschnitt wird abgefedert durch die ebenfalls nur skizzierte Hebelung der EFSF und die ebenfalls vereinbarte Bankenrekapitalisierung. Für Griechenland wurden dabei 30 Milliarden Euro kalkuliert, die von den Finanzinstituten benötigt werden. "Damit werden wahrscheinlich große Teile des Bankensystems in öffentliches Eigentum übertragen", erklärte der griechische Premierminister Giorgos Papandreou, der auf eine erfolgreiche Restrukturierung und spätere Privatisierung des Sektors hofft.

Für die öffentlichen Gläubiger bleibt es ansonsten bei den im Juli beschlossenen Änderungen. Die Laufzeiten der Darlehen für Griechenland werden auf mindestens 15 Jahre verdoppelt und können bis zu 30 Jahre ausmachen. Zudem muss Athen in den ersten zehn Jahren keinerlei Tilgung leisten, der Zinssatz sinkt überdies drastisch auf 3,5 Prozent. Somit gibt es für die Steuerzahler zwar keinen echten Haircut, kräftig Haare lassen müssen die Europartner aber ebenfalls. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2011)