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Borko Stefanović (rechts): "Schwarz-Weiß-Lösungen unmöglich."

Foto: Reuters/Djurica

Belgrad strebt eine friedliche Kompromisslösung für den mehrheitlich von Serben bewohnten Nordkosovo an, sagt der serbische Chefverhandler Borko Stefanović im Gespräch mit Andrej Ivanji. Zugleich kritisiert er Maximalforderungen lokaler Serbenführer.

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STANDARD: Sie haben den Dialog mit Prishtina abgebrochen, als kosovarische Zöllner an zwei Grenzübergängen im Nordkosovo eingesetzt wurden, Serben haben Barrikaden errichtet. Die Fortsetzung des Dialogs ist eine Voraussetzung dafür, dass Serbien im Dezember den EU-Kandidatenstatus bekommt. Unter welchen Bedingungen verhandeln Sie wieder?

Stefanović: Wir haben die Gespräche auf Eis gesetzt, als die Kfor auf die Bürger im Kosovo schoss, die ein legitimes Recht hatten, Straßensperren aufzurichten. In einer solchen Situation konnten wir uns wirklich nicht über Telekommunikation oder andere technische Fragen unterhalten. Ich erwarte jedoch, dass der Dialog in Kürze wieder aufgenommen wird. Wir reden mit den Vertretern der EU und USA über eine Kompromisslösung, die den Personen- und Warenverkehr an den umstrittenen Übergängen Jarinje und Brnjak regeln sollte. Sobald sich die Umrisse einer Lösung abzeichnen, setzen wir den Dialog fort.

STANDARD: Heißt das, dass die kosovarischen Zöllner doch an den Grenzenübergängen bleiben?

Stefanović: Sie sind schon da, und unsere Aufgabe ist es, eine Lösung für diese Situation zu finden. Das Problem, für das Prishtina verantwortlich ist, ist nicht nur, dass sie die Zöllner an die Übergänge gebracht haben, sondern dass sie eine einseitige Lösung aufdrängen und sich nicht auf Verhandlungen einlassen wollten...

STANDARD: ... durch Unterstützung der Kfor und der Eulex.

Stefanović: Ja. Aber nun müssen wir eine bessere Lösung finden. Unser Ziel ist es, dass die Besonderheit dieser zwei Übergänge bestätigt wird. Der Norden des Kosovo hat längst seine Besonderheit bewiesen, dort lebt eine kompakte serbische Gemeinschaft, die die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennt und sich den kosovarischen Institutionen nicht unterstellen möchte. Aufgabe des serbischen Staates ist es, sie in der Verteidigung ihrer legitimen Interessen zu unterstützen, natürlich im Rahmen friedlicher, demokratischer Prozesse. Schwarz-Weiß-Lösungen sind nicht möglich.

STANDARD: Einige Staaten, etwa Deutschland, knüpfen Serbiens EU-Kandidatenstatus auch daran, dass serbische Parallelstrukturen im Nordkosovo aufgelöst werden. Ist das für Serbien akzeptabel?

Stefanović: Natürlich ist das inakzeptabel.

STANDARD: Und wenn das auch gegen den Willen Serbiens geschieht?

Stefanović: Das könnte nur durch den Einsatz von Gewalt geschehen. Und wenn sie etwas mit Gewalt aufdrängen wollen, ist das langfristig unhaltbar, gerade die Geschichte im Kosovo lehrt uns das. Auch in der internationalen Gemeinschaft ist man sich dessen bewusst, dass man den Willen der Serben, die mehrheitlich in den Gemeinden im Nordkosovo leben, nicht einfach ignorieren kann. Was würde man tun? Kosovarische Richter täglich mit Hubschraubern nach Mitrovica bringen, wie man es jetzt mit kosovarischen Zöllnern tut? Alle Machtstrukturen im Nordkosovo, sowohl die Exekutive als auch das Justizwesen, sollen Staatsorgane der Republik Serbien oder der lokalen Serben sein, und darüber muss verhandelt werden.

STANDARD: Hat Belgrad überhaupt noch Einfluss auf die politischen Vertreter der serbischen Bevölkerung im Kosovo?

Stefanović: Das Volk dort hört darauf, was ihm sein Mutterland zu sagen hat, die Menschen an den Barrikaden warten auf eine Lösung. Einige serbische politische Führer im Kosovo haben jedoch anscheinend den Realitätssinn verloren und stellen selbst an den eigenen Staat weltfremde Bedingungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2011)