Bei Computersoftware und in Kunst und Kultur sind offene, frei zugängliche Systeme längst etabliert, auch im Bereich der Hochschulbildung kommt dieser Bewegung immer mehr in die Gänge. Vorreiter ist das MIT (Massachusetts Institute of Technology). Vor zehn Jahren stellte es die ersten Lehrveranstaltungen ins Netz, kostenlos, ohne Registrierung und für jeden Internet-User abrufbar. Andere Elite-Universitäten reagierten skeptisch bis verwundert. Die Vision dahinter: Wissen als ein öffentliches Gut, von dem alle profitieren können, soll auch für alle frei zugänglich sein.
Heute sind als Open Courseware (OCW) rund 2000 Kurse, Seminare und Lehrveranstaltungen aus den verschiedensten Fachrichtungen des MIT verfügbar. Namhafte Universitäten weltweit machten es dem MIT gleich. Im 2005 gegründeten Open Courseware Consortium (OCC) arbeiten mittlerweile rund 200 Hochschulen, darunter die Tsinghua-Universität in China, die University of California Berkeley oder die niederländische Delft University of Technology. Insgesamt wurden mehr als 13.000 Kurse öffentlich zugänglich gemacht.
Das einzige österreichische Mitglied in diesem Konsortium ist die Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt. Das Angebot ist derzeit noch bescheiden. Außer dem Kurs Deutsch als Fremdsprache sei im Moment kein weiteres Angebot abrufbar, das liege aber am Relaunch der Uni-Website, entschuldigt sich Thomas Pfeffer, OCW-Projektleiter der Alpen-Adria-Universität. Nichtsdestotrotz verschlafe Europa diese Entwicklung ein wenig, sagt er. "Das hat aber auch mit der Organisation der Universitäten zu tun. Die Unterstützung, die Lehrende bekommen, ist hier sehr gering" , kritisiert Pfeffer. Um eine Lehrveranstaltung als Open Courseware anbieten zu können, brauche es auch eine neue und erweiterte Gestaltung der Inhalte. "Bisher wurden von den Lehrenden nur wenige Materialien für ihre Lehrveranstaltungen produziert. Für OCW braucht es aber umfassende Präsentationen, die auch außerhalb der Lehrveranstaltung les- und verstehbar sind" , erklärt Pfeffer.
Open Courseware hat nichts mit einem Fernstudium zu tun und ist kein Ersatz für herkömmliche Lehr- und Kursangebote. Eine Interaktion mit den Vortragenden findet nicht statt, es gibt auch keine Zertifikate für das Absolvieren der Kurse. Die Materialien sind unter Nennung der Quelle weiterverwertbar.
Genutzt wird das Angebot von Autodidakten, Lehrern und Studierenden. Die genaueste Analyse der Nutzer bietet ebenfalls das MIT. Jeden Monat zählt die Seite rund eine Million Visits. Rund 43 Prozent sind Autodidakten, die sich großteils Wissen außerhalb ihres beruflichen Kontextes aneignen möchten. An zweiter Stelle, mit 42 Prozent, liegen Studierende, die ihr persönliches Wissen verbessern möchten. Neun Prozent der User sind selbst Lehrende, die sich weiterbilden und das Angebot in ihre Kurse integrieren möchten. Der überwiegende Teil kommt aus den USA, gefolgt von Südostasien und Europa.
Visits aus der ganzen Welt
Seit dem Start vor zehn Jahren haben Personen aus 215 Ländern die Seite des MIT besucht. Nach den 100 Millionen Besucher der vergangenen Jahre ist das ambitionierte Ziel für die nächste Dekade, mit dem Angebot eine Milliarden Menschen zu erreichen. In Yale gehört die Open-Yale-Website, die seit 2007 besteht, mittlerweile zu den meistbesuchten Sites der Universität, die Besucher kommen aus 191 Ländern. Lehrende aus der ganzen Welt würden die Inhalte der Open Yale Courses nutzen. Damit der Zugang zu den Kursen noch leichter zugänglich ist, sind die Kurse auch auf Youtube und iTunes abrufbar.
Als großer Förderer dieser Angebote gilt die William and Flora Hewlett Foundation, eine der zehn größten Stiftungen der USA. Die 1966 von William Hewlett, dem Mitbegründer von HP, ins Leben gerufene Stiftung hat sich unter anderem die weltweite Verbreitung hochwertiger akademischer Lehrgänge zum Ziel gesetzt. Viele der OCW-Projekte wurden und werden von dieser Stiftung finanziell unterstützt. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.10.2011)