
Sandra Cervik als gewandelte "Frau" in "Lebenstanz".
Wien - August Strindbergs Ehepein-Drama Dödsdansen (1901) wird im Deutschen üblicherweise als Totentanz übersetzt. In einer Produktion des Theaters in der Josefstadt heißt der bitterböse Abgesang auf die Schrecken eines langen, aneinandergeketteten Lebens nun aber Todestanz; und auch sonst ist hier einiges anders.
Das Stück, in dem ein der Silberhochzeit entgegensteuerndes Ehepaar sich ein allerletztes Mal die Hölle heiß macht, wurde von der deutschen Autorin Friederike Roth in einen Lebenstanz weitergeführt. Roth hat Strindbergs Text mit ihrem eigenen unterminiert. Keine Gegenüberstellung oder klassische Fortschreibung war beabsichtigt, sondern ein Ineinandergreifen zweier Handschriften. (Unterschiedliche Schriftarten weisen die jeweilige Autorschaft im Stücktext aus.)
Ein Ding schierer Unmöglichkeit, und davon gab die Uraufführung am Donnerstagabend auch ein bitteres Zeugnis ab. Die Strindberg'schen Passagen blieben ein recht austauschbares, tödlich lauwarmes Ehegezänk, in dem Edgar (Michael Abendroth) der Verachtung gegenüber seiner Frau Alice und seinem Leben generell mit einem stets offenen Hosentürl Ausdruck verlieh. Alice (Sandra Cervik) im Negligee trauerte ihrerseits einer vertanen Karriere als Schauspielerin nach. Edgar, Hauptmann der schwedischen Festungsartillerie, "hat" sie einst vom Theater "genommen" und sie an das isolierte Leben auf einer Insel gekettet.
Roths abstrakter Text, ein durchaus weit zu deutender Befreiungsschlag aus einem verordneten Leben, taucht aus dem Windschatten dieses teuflischen, etwas ermüdenden Klagelieds selten hervor, und er wird mit bodenständiger oder auch überaus exaltierter Spiellaune regelrecht gedrückt.
Die Wohnzimmerlandschaft bei Edgar und Alice hat sich im zweiten Teil in eine Wüste verwandelt (Bühne: Herbert Schäfer), ein vom langen Leben ausgedörrtes Terrain mit mythologischem Dekor. Regisseur Günter Krämer setzt auf den Symbolcharakter von Sphingen und Chimären, die den sich zunehmend aufladenden Roth'schen Dialog zwischen einer "Frau" und einem "Mann" ein wenig ratlos umstellen.
Dieser Mann - er trägt alle Anzeichen von Edgar - zieht eine Sauerstoffflasche hinter sich her. Und die Frau im Alice-Negligee macht es sich auf ihrer Gehhilfe bequem. Sie denken an Sex ("Hier und noch heute. Und heftig und ohne Bedenken") und sehen trotz dieser in ihrer Lage hochfahrenden Ziele gegenüber dem Chor der "Leidensfreien" (junge, gesunde Leiber) nun ganz schön alt aus.
Der Abend machte sich von dem über die bloße Hinfälligkeit des Lebens hinausweisenden Text Roths keine Vorstellung. Er wurde deshalb immer schmäler. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD - Printausgabe, 29./30. Oktober 2011)