Das iPhone 4S: Äußerlich ist nur das neue Atennendesign zu erkennen

Foto: derStandard.at/Zsolt Wilhelm

Die Kamera schießt höher aufgelöste Fotos und stellt Farben naturgetreuer dar als das iPhone 4.

 

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iPhone 4 (oben) vs. iPhone 4S: Klar mehr Details beim iPhone 4S

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iPhone 4 (links) vs. iPhone 4S: Das iPhone 4S übersteuert weniger und übersättigt die Farben nicht

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iPhone 4 (links) vs. iPhone 4S: Der genauere Weißabgleich bringt dem iPhone 4S ein ausgewogeneres Bild

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Der Dual-Core-Prozessor ermöglicht aufwändigere Apps und Spiele. Auch die Reaktionszeit wird dadurch verkürzt.

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Siri heißt die neue Sprachassistentin

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Das Befehlsrepertoire ist (vor allem auf Deutsch und in Österreich) noch recht eingeschränkt

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Die Erkennung funktiont aber gut

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Maps können in Österreich nicht aufgerufen werden

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Umfangreiche Online-Anwtort-Datenbank macht Siri ein Bisschen menschlich

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Das iPhone 4 ist das meistverkaufte Smartphone am Markt, allein im vergangenen Quartal setzte Apple rund 17 Millionen Geräte ab. Dass man die grenzenlosen Erwartungen der Analysten damit nicht erfüllen konnte, ist ob eines weiteren Rekordergebnisses zu verschmerzen. Vielleicht ist es auch deshalb nicht verwunderlich, dass der kalifornische Hersteller den Nachfolger nicht als komplett neue Generation konzipierte, sondern sich mit dem iPhone 4S (wie einst schon mit dem 3GS) auf die Optimierung und Software-Features konzentrierte. Unter dem Strich verspricht man im gleichen Gewand mehr Leistung und will sich mit einer exklusiven Sprachsteuerungssoftware, Siri getauft, von der Konkurrenz abheben.

>>> Näheres zum Betriebssystem iOS 5 lesen Sie in unserem Test.

Auf dem aktuellen Stand der Technik

Technisch gesehen hat Apple das iPhone auf den Stand von Frühjahr 2011 gebracht und den A5 Dual-Core-Prozessor Prozessor eingebaut, der auch schon beim iPad 2 zum Einsatz kommt. Allerdings wurde, um Energie zu sparen, die Taktfrequenz der auf dem ARM A9-Chips basierenden CPU von 1 GHz auf 800 MHz gedrosselt. Der Arbeitsspeicher wurde bei 512 MB belassen. Das Ergebnis ist, dass das iPhone 4S in typischen Hardware-Tests deutlich besser abschneidet als das iPhone 4 und knapp hinter dem iPad 2 zurückbleibt. Vorangegangene Erfahrungsberichte von Technologieseiten konnten wenig überraschend auch im aktuellen WebStandard-Test bestätigt werden. So schneidet das iPhone 4S im jüngsten Sun Spider-JavaScript-Benchmark mit 2254,8 ms ab, das iPhone 4 fällt mit 3427,7 ms klar zurück, das iPad 2 liegt mit 1848,0 ms aber noch klar voran. Alle Tests wurden unter iOS 5 vorgenommen.

Reaktionsschnell

Unter dem Strich macht sich die gesteigerte Performance im Vergleich zum iPhone 4 einerseits durch den etwas rascheren Aufbau von Webseiten bemerkbar und andererseits profitieren vor allem Apps davon. So starten Anwendungen unter dem iPhone 4S einerseits schneller - was insbesondere bei der Kamera-Funktion zuträglich ist -, andererseits sind damit grafisch deutlich aufwändigere Apps und Games möglich. Voraussetzung dafür ist gewiss die Optimierung auf den Zweikernprozessor. Unter anderem haben dies bereits die Hersteller des Weltraum-Games "Galaxy on Fire II" gemacht. Künftig wird es zudem exklusive Inhalte für das 4S und das iPad 2 geben: Einen Vorgeschmack darauf liefern die angekündigten Werke "Grand Theft Auto 3: 10th Anniversary" und "Infinity Blade 2". Für weniger Gaming-affine Anwender gibt es zwar weniger spektakuläre Demonstrationsbeispiele, allerdings macht sich die gesteigerte Geschwindigkeit auch sonst überall in der Anwendung bemerkbar. Im Speziellen profitieren die Aufnahme und Bearbeitung von Fotos durch App wie Photoshop davon.

Schnappschusskamera

Die bereits sehr gute 5 MP-Kamera des iPhone 4 wurde im 4S durch eine 8 MP-Kamera ersetzt, deren gesteigerte Auflösung vor allem der Detaildarstellung zu Gute kommt. Wer seine Bilder gerne auf Papier bringt, freut sich ebenfalls über die gewonnene Auflösung. Daneben haben die Entwickler merklich an der generellen Aufnahmequalität gefeilt. Der genauere automatische Weißabgleich sorgt für "lebensnahere" Bilder und Farben kommen besser zur Geltung. Im Vergleich übersteuert die neue Kamera deutlich weniger, ist lichtempfindlicher und bringt mehr Details zur Geltung, während die iPhone 4-Kamera versucht, auf Kosten der Authentizität, stärkere Kontraste hervorzubringen.

Ein weiterer willkommener Vorteil des 4S ist die spontanere Einsatzbereitschaft und der flottere Verarbeitungsprozess von Fotos. Auf Knopfdruck öffnet sich die Linse zwar immer noch nicht, jedoch wurde die Wartezeit merklich verkürzt und die Aufnahme in Serie ist schneller. Ansonsten gibt sich die Kamera eher reduziert. Neben dem Blitz macht eine HDR-Funktion für detailreiche Landschaftsaufnahmen das iPhone 4S zur durchaus brauchbaren Pocket-Cam.

Bewegte Momente dürfen jetzt auch in Full HD (1080p) bei flüssigen 30 Bildern pro Sekunde festgehalten werden. Ein Bildstabilisator garantiert, dass das Ergebnis nicht zu sehr verwackelt. Das sorgt zweifellos für recht beeindruckende Aufnahmen, dennoch sollte man bedenken, dass die Videodateigröße im Vergleich zum iPhone 4 mit 720p um das 2,5-fache ansteigt. Jede Minute schlägt so mit rund 200 MB zu Buche. Was in diesem Zusammenhang merkwürdig erscheint ist, dass Apple keine Optionen bereitstellt, die Auflösung manuell zu reduzieren.

Besserer Empfang

Das Antennen-Design des iPhone 4 kam rasch durch "Death Grip" in Verruf. Wie sich herausstellte, sorgte die elegante Anordnung rund um das Gehäuse für Empfangsprobleme, sobald man die knapp voneinander getrennten Antennen gleichzeitig mit der Hand umschloss. Was in relativ gut abgedeckten Ballungsräumen wie Wien weniger auffällt, kann jedoch in unterversorgten Gegenden schon einmal zu einem Netzabbruch führen. Apple will diese Mängel dank eines neuen Designs nun ausgemerzt und dabei sogar die Empfangsqualität gesteigert haben.

Dies sei gelungen, in dem man die Antenne zum Empfang und die Antenne zum Senden getrennt von einander betreibt. Damit werden unter HSDPA theoretische 14,4 Mbit/s Download-Geschwindigkeit versprochen - was in der Praxis selbst bei vollem Empfang außer Reichweite stand. Im Test im Netz von T-Mobile schaffte das iPhone 4S bei Vollempfang knapp 1,5 Mbit/s Up- und Download-Geschwindigkeit und kam auf einen Ping von durchschnittlich 70 ms. Da sich diese Werte vom im gleichen Netz getesteten iPhone 4 kaum unterschieden, ist von einer klaren Netz-Beschränkung auszugehen. (Interessant wäre hierbei ein Test unter Laborbedingungen, was dem WebStandard allerdings zum Testzeitpunkt nicht möglich war.) Auffallend beim iPhone 4S war allerdings, dass der "Death Grip" tatsächlich nicht mehr möglich ist, die Gesprächsqualität ist gut.

Das iPhone spricht mit mir

Die größte Neuerung des iPhone 4S ist gewiss die Integration der Sprachassistentin "Siri", die sich noch in der Beta-Phase befindet. Per langem Druck auf den Home-Button aktiviert, kann man Siri dazu beauftragen, eine SMS oder Email zu schreiben, das Wetter nachzusehen oder einen Alarm zu stellen und einen Termin einzurichten. Auf jede Aktion antwortet der Dienst schriftlich und gesprochen und gibt damit Feedback. Unterstützt werden die Sprachen Englisch (UK, US, AUS), Deutsch und Französisch. Allgemein lassen sich nach mehrstündigen Konversationen folgende Erkenntnisse festhalten:

Die Spracherkennung auf Englisch und Hochdeutsch funktioniert unter den meisten Bedingungen gut. Sofern man "gerade" Sätze sagt, nicht gerade in der Disco oder am Stammtisch sitzt, hat Siri wenig Probleme, das gesamte Spektrum eines Wörterbuches zu verstehen. Schwierigkeiten bereiten Namen fremder Herkunft sowie Unterbrechungen innerhalb einer Ansage. Namen sollte man daher immer so aussprechen, wie man es gemäß der aktivierten Sprache tun würde.

Sprachunterschiede

Obwohl Deutsch genauso wie Englisch und Französisch unterstützt werden, kann man unter Deutsch nicht alle Funktionen nutzen und einige Features sind außerhalb der USA noch nicht verfügbar. Auf die Frage "Wie viele Kalorien hat eine Kartoffel?", kann Siri etwa nur eine Websuche anbieten. Die gleiche Frage auf Englisch gestellt, wird mit der genauen Auflistung durch die Wolfram Alpha-Statistik beantwortet. Beklagt man sich bei Siri mit "Ich bin hungrig.", kann sie in Österreich damit nichts anfangen. Die gleiche Aussage in den USA getätigt, würde Siri dazu bringen, über Maps und einen US-Lokalführer Restaurants in der Nähe ausfindig zu machen.

Aufs Diktat

Wer des Englischen mächtig ist, dem sei also aufgrund des gebotenen Funktionsumfangs dazu angeraten, Siri nicht auf Deutsch anzusprechen. Besonders praktisch ist Siri gewiss immer dann, wenn man gerade keine Hand frei hat. Im Auto oder aus der Badewanne heraus kann man so sein iPhone 4S immer noch bedienen (wenn man wenigstens kurzfristig einen Fingerdruck tätigen kann). Zu empfehlen ist dabei, sich kurz und bündig zu halten. Siri mit "Siri" anzusprechen, sorgt etwa für mehr Probleme als für Anerkennung. "Wecke mich um zehn Uhr in der Früh" bewegt Siri dazu, den Alarm für 10:00 morgens zu stellen. "Erinnere mich, morgen Mama anzurufen", richtet automatisch eine Erinnerung einrichten. Termine können auch genauer per Datum und Uhrzeit angegeben werden. "SMS an XY" lässt Siri eine SMS öffnen, danach kann der Inhalt diktiert werden. Das gleiche gilt für E-Mails, Anrufe und so.

Die Diktatfunktion - auch für private Notizen - klappt gut, sofern man nicht ins Stocken gerät. Hier zeigt sich einerseits, dass Siri nicht unbedingt weiter ist, als konkurrierende Angebote auch aus Googles Android-Welt. Und andererseits wird im "pausenfreien Moment" klar, dass nicht jeder der geborene Rhetoriker ist.

Ein Bisschen menschlich

Was Siri auf den ersten Blick so besonders macht, ist das gelungen Sprach-Interface, dass auf eine Kommunikation zwischen Mensch und Maschine aufbaut. Egal welche Frage man ihr stellt, sie wird einem eine Antwort darauf geben und sollte die Frage zu unpräzise gewesen sein, fragt Siri noch einmal nach. Das kann zu sehr humorvollen, wie scheinbar menschlichen Dialogen führen. Auf die Aufforderung "Starte einen thermonuklearen Krieg" entgegnet Siri "Tut mir leid ... Das darf ich leider nicht". Auf "Ich liebe dich" folgt "Du kennst mich doch kaum". Zudem ist der Spielraum für Fragestellungen recht groß. Will man das aktuelle Wetter wissen, ist es etwa egal, ob man "Mir ist kalt!", "Wie viel Grad hat es?" oder "Regnet es?" ins Mikro spricht.

Eine Baustelle

Es hat zweifellos etwas Faszinierendes, doch ist Siris Wissensumfang noch sehr stark eingeschränkt. Rein technisch gesehen, ist etwa zur Nutzung ist eine Internetanbindung notwendig und die Einbindung von Apps ist zum aktuellen Zeitpunkt nur im kleinen Rahmen gegeben. Hier ist zu hoffen, dass App-Hersteller und Apple rasch voranschreiten und bald den Funktionsumfang ausbauen.

Auf der anderen Seite kann die Nutzung Siris oftmals frustrierend sein. Die Sprachsteuerung bedingt, wie erwähnt, dass man sich sehr präzise ausdrückt. Theoretisch können dann gewisse Aufgaben (etwa ein Kalendereintrag) schneller erledigt werden, als per Touchscreeneingabe. Versteht Siri einen dann zwischen drin aber falsch oder kann mit einem Namen nichts anfangen, benötigt es Korrekturen und der Bedienkomfort ist dahin.

Weiters ist aus Datenschutzgründen zu bedenken, dass zur optimalen Nutzung der Sprachassistentin, Lokalisierungsdienste angeschaltet sein müssen.

iPhone 4S: Kleinigkeiten und Mängel

Wer sich von der Hardware weitere große Neuerungen erhofft hat, wird enttäuscht. Zahlreiche Eckdaten sowie das Design sind gleich geblieben. Immerhin, trotz Dual-Core-Prozessor wurde die gute Akkulaufzeit des iPhone 4 gehalten - eineinhalb Arbeitstage sollten durchaus drin sein. Die Nettogesprächszeit bei 3G liegt bei gut 8 Stunden. Positiv dazu beiträgt die Unterstützung des Bluetooth 4.0-Profils. Von den vereinzelt berichteten Problemen mit dem Akku, war im Test nichts zu merken.

Dass LTE von Apple noch nicht ins Feature-Portfolio aufgenommen wurde, fällt ob der derzeit noch miserablen LTE-Netzabdeckung und den hohen Tarifpreisen in Österreich weniger ins Gewicht. Die Unterstützung von CDMA-Netzen wird Asien- und USA-Reisende erfreuen, sofern sie ein offenes iPhone 4S ihr eigen nennen. Wirklich schade ist, dass der Hersteller nicht auf den NFC-Trend aufgesprungen ist. Mit dem Kommunikationsstandard sind unkomplizierte, flotte Datenübertragungen zwischen Endgeräten sowie Funktionen bargeldloses Zahlen möglich. Hätte das iPhone 4S diese Funktion unterstützt, hätte sie schon allein ob Apples riesiger Verkaufszahlen eine gute Chance gehabt, sich 2011 zu etablieren. Alle Hoffnungen liegen dieses Jahr so bei den Flaggschiffen der Android-Hersteller.

Welche Version und Preise

Das iPhone 4S ist seit Ende der Woche in Österreich erhältlich. Das Modell mit 16 GB Speicher kostet bei Apple direkt 629 Euro, die 32-GB-Version kostet 739 Euro und das Modell mit 64 GB schlägt mit 849 Euro zu Buche. Sämtliche großen Mobilfunker bieten das Smartphone im Paket mit Tarifen an. Auffallend ist, dass keiner der Tarife, die allesamt 24-Monate Vertragsbindung bedingen, im Paket mit dem iPhone 4S unter 1.000 Euro kostet. Wer also mindestens 629 Euro auf einmal aufbringen kann und dazu etwa noch einen Discount-Tarif dazu nimmt, kann in Summe gesehen deutlich günstiger aussteigen. Wichtig ist, dass man ein Datenpaket dabei hat.

Für welches Modell man sich entscheidet, hängt stark vom persönlichen Umgang ab. Will man viele Videos aufnehmen und lädt sich zudem auch noch gerne 3D-Spiele herunter, wird mit 16 GB recht bald einmal an die Grenzen stoßen. Eine Alternative zur 110 Euro-Spende an Apple für 16 GB mehr Platz ist die regelmäßige Säuberung des Speichers - Videos sind auf einer externen Festplatte ebenso gut aufgehoben.

Fazit

Apple liefert mit dem iPhone 4S ein solides Update. Der Geschwindigkeitszuwachs ist insbesondere bei aufwändigeren Programmen spürbar. Die Kamera macht detailreichere Fotos und glänzt mit naturgetreuen Farben, ist relativ rasch einsatzbereit und damit eine brauchbare Alternative zu separat mitgeführten Kompaktkameras. Eine System- oder DSLR-Kamera kann sie gewiss nicht ersetzen. Die Sprung von iPhone 4 und 4S ist hier wie insgesamt aber nicht so groß, wie einst vom 3GS auf 4. Sprachassistentin Siri ist zweifellos das Highlight. Zwar funktioniert die Diktierfunktion sowie die einfache Eingabe von Sprachbefehlen auch über alternative Dienste von Google und Co. ähnlich gut, doch hat Apple das bislang klar beste Interface für die Kommunikation mit einer Maschine geschaffen. Die Designer haben sich viele Gedanken darüber gemacht, was Kommunikation "menschlich" macht und diese Eigenschaften in Siri wenigstens Ansatzweise übertragen. Gleichzeitig steckt Siri noch spürbar in den Kinderschuhen und Einschränkungen wie Frustmomente sorgen dafür, dass die Assistentin derzeit mehr ein Gimmick als eine ernstzunehmende Hilfe ist. Wer sich technisch "mehr" erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht. Hier könnte 2011 nicht Apple, sondern mit dem jüngst präsentierten "Galaxy Nexus" die Spitze der Android-Welt den Ton angeben. Zusammen mit iOS 5 ist das iPhone 4S vor allem Apple-Neukunden, sowie Besitzern älterer iPhones zu empfehlen. Wer ein iPhone 4 sein Eigen nennt, kann diese Generation getrost auslassen.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 30.10.2011)