Foto: AMS

Das Arbeitsmarkt Service (AMS) wirbt in einem aktuellen Comic für die Lehre und anscheinend gegen die Universität. Dazu werden exemplarische fünf Geschichten erzählt. Besonders auffallend ist der Comic zu Yasmin, einem kopftuchtragenden Mädchen: Sie möchte gerne Zahnärztin werden, damit sie sich jeden Tag die neuesten CDs kaufen kann. Ihr Freundeskreis rät ihr davon ab. Schließlich würde die Ausbildung total lange dauern. "Zuerst Matura, dann Uni, dann Fachausbildung..." sagt ihre Freundin Alex. Yasmin steckt in einem Dilemma, denn sie möchte gerne, dass ihre Mama und ihr Papa stolz auf sie sind. Die Lösung des AMS ist einfach: Anstatt zu studieren, soll Yasmin doch lieber die Lehre zur Zahntechnikerin machen, denn "die sind auch gefragt."

Bei den anderen Comics aus er Reihe schaut das anders aus. Die anderen Jugendlichen scheinen sich zumindest von sich aus für einen Lehrberuf zu interessieren und werden entsprechend ermutigt, dem nachzugehen. Yasmin hingegen will studieren, was ihr ausgeredet wird. Böse Zungen könnten glatt behaupten, es sei kein Zufall, dass ausgerechnet dem kopftuchtragenden Mädchen ein Studium ausgeredet wird. So als würde eine akademische Bildung so gar nicht zu ihr passen.

Tatsache ist, dass in Österreich Jugendliche der zweiten und dritten Generation im Durchschnitt schlechtere Abschlüsse haben als ihre Eltern und dass sie von der Arbeitslosigkeit öfter betroffen sind als autochthone Gleichaltrige. In einer Gesellschaft wie der österreichischen, die sich traditionell sozial undurchlässig und aufstiegsfeindliche zeigt, gewinnt der "ungeschickte" AMS-Comic an Symbolkraft. Hier werden Zustände, die regelmäßig in den Medien und von allen Teilen der Gesellschaft angeprangert werden, willentlich zubetoniert. Yasmin soll keinen Schritt (zu weit) vom Image des ungebildeten kopftuchtragenden Ghetto-Mädchens kommen. Sie soll schön genügsam sein, denn auf eine Zahntechnikerin "wäre die Eltern doch auch stolz".

Wenn Yasmin aber doch Zahnärztin wird, kann sie sich ungefähr viereinhalb Mal so viele CDs kaufen. Laut Einkommensbericht fallen Zahntechniker in die Gruppe der Angestellten im "Gesundheits- und Sozialwesen". Dort lag das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen 2009 bei 19.672 Euro. ZahnärztInnen verdienen durchschnittlich 92.614 Euro brutto im Jahr.* Das würde sicher auch Mama und Papa gefallen. Vom Gehalt einmal abgesehen, würde es Mama und Papa sicher auch gefallen, was in Österreich das Kürzel "Mag." oder gar "Dr." vor dem Namen für Wunder bewirken kann. Sie könnte ein Vorbild für die jungen Frauen und Männer aus ihrem sozialen Umfeld werden und würde einen viel größeren Beitrag für die Gesellschaft erbringen, den alle politischen Kräfte von Migranten und ihren Nachkommen erwarten.

Liebe Yasmin, geh bitte auf die Universität und mache einen akademischen Abschluss. Derzeit liegt der Anteil der Hochschulabsolventen an der österreichischen Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren in Österreich bei gerade einmal 19 Prozent. Der OECD-Schnitt beträgt aber 30 Prozent. (Yilmaz Gülüm und Olivera Stajić, 31. Oktober 2011, daStandard.at)