Die neu entdeckte Platte in Zentraltibet wird von Süden nach Nordosten über die Eurasische Platte geschoben. Die roten Dreiecke markieren seismische Stationen.

Foto: GFZ

Querschnitt durch Tibet bis in 200 Kilometer Tiefe mit Verlauf der drei kollidierenden Platten.

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Ein internationales Forscherteam hat unter Tibet eine bisher unbekannte tektonische Mikroplatte entdeckt und damit hat ein neues Bild der plattentektonischen Kollision von Indien und Eurasien entworfen. Die relativ homogene Platte in Zentraltibet hat eine Mächtigkeit von etwa 100 Kilometern und wird von Süden nach Nordosten über die Eurasische Platte geschoben; dabei drückt sie diese bis zu 250 Kilometer tief in den Erdmantel hinein.

Die indische tektonische Platte bewegt sich gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Zentimetern pro Jahr nach Nordosten. "Bei ihrer Kollision mit Eurasien schiebt sie wie ein Bulldozer den Himalaya und das Hochland von Tibet auf, bohrt sich dabei 500 Kilometer weit unter Tibet und ist bis zu einer Tiefe von etwa 250 Kilometern deutlich nachweisbar. Das hatten bereits unsere früheren Untersuchungen gezeigt", erklärt Rainer Kind Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ. "Bisher gab es aber noch nicht genügend Messdaten, um zu sehen, wie sich die tektonischen Platten am nördlichen Rand von Tibet bei der Kollision verhalten."

Tibet von unten durchleuchtet

Das Geoforscherteam hat deshalb in Fortsetzung früherer gemeinsamer Experimente ein zusätzliches großes seismologisches Projekt in Nordtibet durchgeführt. Bei dieser "Receiver Function" genannten Methode werden die Grenzschichten verschiedener Materialien im Erdinneren mit Hilfe seismischer Wellen weit entfernter Erdbeben kartiert, die den Untergrund von Tibet gewissermaßen von unten durchleuchten. Daraus können die Deformationen der tektonischen Platten bestimmt werden.

Die mit dieser Methode erhaltenen Abbildungen des Erdinneren bis zu mehreren hundert Kilometern Tiefe sind weitaus höher auflösend als alle bisherigen Abbildungen. Im Resultat zeigte sich die jetzt entdeckte Tibetanische Platte als deutlich abgegrenzter, eigener Bereich in diesem Teil der Lithosphäre zwischen Indien und Eurasien, südlich des Tarim-Beckens. (red)