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Beeinflusst seit mehr als 30 Jahren die Geschicke Nicaraguas: Der Sandinist Daniel Ortega tritt zur Wiederwahl an.

Foto: Reuters/Rivas

Managua - Das mehrere Hektar große Anwesen nahe des Zentrums von Managua ist hermetisch abgeriegelt - hier wohnt und regiert der Mann, der seit 30 Jahren die Politik Nicaraguas prägt: Daniel Ortega. In den 1970ern einer der Revolutionsführer, die Diktator Anastasio Somoza stürzten, in den 1980ern sandinistischer Präsident, dann Oppositionsführer und seit 2006 wieder Präsident.

Der nuschelnde Mann mit dem maskenhaften Gesicht lässt sich nur wenig in der Öffentlichkeit blicken, immer häufiger schickt er seine Frau Rosario Murillo in die Öffentlichkeit. Die esoterisch angehauchte Murillo spricht im Namen des Präsidenten und gilt als wichtige Strategin. Am Sonntag geht ihr Mann für eine weitere Amtszeit ins Rennen. Die Verfassung, die eine direkte Wiederwahl eigentlich verbietet, gelte nicht für Ortega, hatte der von seinen Anhängern dominierte Oberste Gerichtshof geurteilt.

Der heute 65-Jährige ist nicht mehr der glühende, linke Revolutionär, sondern ein opportunistischer Populist, der die Petrodollars seines venezolanischen Gesinnungsgenossen Hugo Chávez kassiert und gleichzeitig mit dem wegen Korruption verurteilten ex-somozistischen Politiker Arnoldo Alemán paktiert.

"Ortegas Regierung ähnelt heute immer mehr der Somozas" , sagt Carlos Fernando Chamorro, Ex-Direktor der sandinistischen Barricada, heute freier Journalist. "Wie Somoza gibt er Unternehmern freie Bahn zur Bereicherung, solange sie ihm politisch nicht in die Quere kommen."

"Ortega ist längst nicht mehr links, es geht ihm nur noch um Macht und Geld" , urteilt einer seiner ehemaligen Mitstreiter, Edmundo Jarquín, der heute als Vizepräsident auf der Liste des Liberalen Fabio Gadea kandidiert - Umfragen zufolge der wichtigste Herausforderer Ortegas.

Dass die Opposition sich gegen Ortega durchsetzen kann, gilt aber als unwahrscheinlich. In Nicaragua genügen in der ersten Runde 40 Prozent oder auch 35 Prozent und ein Vorsprung von fünf Prozentpunkten auf den Nächsten - ein maßgeschneidertes Gesetz.

Bei der Unterschicht genießen die Sandinisten immer noch großen Rückhalt. "Sie sind die Einzigen, die etwas für die Armen getan haben" , sagt die Bäuerin Rosario Ruiz aus Estelí. Fast die Hälfte der Nicaraguaner gilt als arm, ein Viertel verdient weniger als einen Dollar täglich. Doch zuletzt wuchs die Wirtschaft leicht, Arbeitsplätze entstanden, man hat das Gefühl, es geht aufwärts.

Denjenigen, die sich um die Demokratie und den Rechtsstaat sorgen, bleibt immerhin eine Hoffnung: "Ortega, Alemán, Gadea, ich selbst, wir sind die letzten Überbleibsel einer Vergangenheit, an die sich die Jugend von heute kaum noch erinnert", sagt Jarquín. "Wir sind zwischen 70 und 80, daher wird dies die letzte Wahl im Schatten der Vergangenheit sein. Hoffentlich." (Sandra Weiss/DER STANDARD, Printausgabe, 3.11.2011)