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Mario Draghi tritt sein Amt gleich mit einer überraschenden Zinssenkung an

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Grafik: APA

Frankfurt - Paukenschlag unter dem neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi: Der Rat der Europäischem Zentralbank senkte überraschend gleich bei der ersten Sitzung unter Vorsitz des Italieners den Leitzins auf 1,25 Prozent. Die EZB hat ihre erste Zinssenkung seit Mai 2009 mit der Konjunkturflaute und nachlassendem Inflationsdruck begründet. "Der konjunkturelle Ausblick sei weiter von hoher Unsicherheit belastet", sagte Draghi nach der ersten Ratssitzung unter seinem Vorsitz. Zuvor hatten die Währungshüter ihren Leitzins auf 1,25 von 1,5 Prozent und die Finanzmärkte damit überrascht. Das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone werde in der zweiten Jahreshälfte sehr moderat bleiben, sagte Draghi und fügte hinzu, dass die EZB ihre Wachstumsprognose für 2012 "sehr wahrscheinlich" senken werde.

Die Entwicklung der Inflation stehe mittelfristig im Einklang mit Preisstabilität, sagte Draghi. Die Inflationsrate, die derzeit bei drei Prozent liegt, dürfte im Laufe des kommenden Jahres unter zwei Prozent fallen. Bei Teuerungsraten von knapp unter zwei Prozent spricht die EZB von stabilen Preisen.

Ökonomen überrascht

Niedrige Zinsen verbilligen Kredite. Das erhöht die Investitionsneigung von Unternehmen und die Konsumfreude der Verbraucher - und kann so die Konjunktur ankurbeln. Zugleich befeuern niedrige Zinsen aber die Inflation.

Die EZB hatte unter Draghis Vorgänger Jean-Claude Trichet wegen gestiegener Risiken für die Preisstabilität den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld zuletzt zwei Schritten von 1,0 auf 1,5 Prozent angehoben. Als sich die Schuldenkrise verschärfte und am Konjunkturhimmel schwarze Wolken aufzogen, legten die Währungshüter in den vergangenen Monaten eine Zinspause ein.

Staatsanleihenkauf wird fortgesetzt

Die EZB wird den umstrittenen Aufkauf von Staatsanleihen der Euro-Schuldenstaaten auch unter ihrem neuen Präsidenten vorerst fortsetzen. Draghi betonte jedoch, das Programm sei vorübergehend und in seinem Umfang begrenzt. Die Sondermaßnahme sei dadurch gerechtfertigt, dass die EZB dadurch ihre Geldpolitik am Laufen halte. "Wir wollen, dass unsere Geldpolitik funktioniert".

Seit Mai 2010, als der EZB-Rat das Aufkaufprogramm beschloss, steckte die Notenbank Milliarden in Staatsanleihen von Schuldenstaaten wie Griechenland, Portugal und Italien. Trichet war für den Schritt massiv kritisiert worden, viele warfen der EZB vor, zum Handlanger der Politik geworden zu sein. Auch in der EZB gab es Streit, der damalige Bundesbank-Präsident Axel Weber kritisierte den Aufkauf wiederholt öffentlich.

Überraschung für Volkswirte

Die meisten Ökonomen hatten trotz der drohenden Rezession und der Staatsschuldenkrise zunächst keine Zinssenkung erwartet. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zeigte sich von der Leitzinssenkung überrascht: " Wir hatten erst im Dezember mit einer Zinssenkung gerechnet. Wir dachten, es dauert etwas länger, bis die EZB ihre zu optimistischen Konjunkturprognosen senkt.  Der Schritt zeigt, wie beunruhigt die Währungshüter sind. Sie nehmen die Konjunkturrisiken, die von Staatsschuldenkrise ausgehen, sehr ernst. Der neue EZB-Präsident Draghi nimmt dafür auch in Kauf, das Etikett einer Zinstaube angeheftet zu bekommen. Das unterstreicht den Ernst der Lage."

Auch Jürgen Michels von der Citibank hat mit dem Schritt nicht gerechnet: "Das ist ziemlich überraschend. Es ist keine Entscheidung von Draghi alleine. Man wird das mit den schwachen Konjunkturaussichten begründen. Ich glaube nicht, dass er sagen wird, dass das wegen Griechenland gemacht wird. Die Frage wird sein, wie man sich zu weiteren Staatsanleihekäufen verhält. Mal sehen, was im Dezember passiert. Ich hatte für Ende des Jahres einen Leitzins von einem Prozent auf der Rechnung und natürlich bleibe ich dabei.

Dorothea Huttanus, Devisen-Analystin bei der DZ-Bank: "Das war kein guter Start für den neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi. Mit der Zinssenkung hat er die Märkte völlig auf dem falschen Fuß erwischt, das ist in so unsicheren Zeiten keine Hilfe. Das letzte, was die Märkte jetzt noch gebrauchen können, ist eine EZB, die nicht kalkulierbar ist."

"Richtige Entscheidung"

Für Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist der Schritt der EZB eine "rasche und richtige geldpolitische Entscheidung" zum richtigen Zeitpunkt. Damit unterstütze die EZB nicht nur die von ihr eingemahnte Konsolidierung der Staatshaushalte im Euroraum, sondern gebe auch ein positives konjunkturelles Signal angesichts schwacher Wachstumsprognosen. Auch zur Beruhigung der Finanzmärkte werde damit ein Beitrag geleistet, erklärte Leitl. (Reuters/red)