Der Musiker Albin Paulus wurde heuer zum Weltvirtuosen der Maultrommler gekürt. Seine Begeisterung für das kleine Instrument erklärt er so: "Der Gedanke hat mir gefallen, dass so etwas Kleines, Unterschwelliges, trotzdem viel erreichen kann." Was für ihn Erfolg bedeutet und warum er Großes vorhat, erzählt er im Karriere-Telegramm.
derStandard.at: Sie sind in Sibirien zum Weltvirtuosen der Maultrommler gekürt worden. Wie fühlen Sie sich als Weltvirtuose?
Paulus: Ich fühle mich sehr geehrt und zugleich überrascht, dass es diesen Titel gibt. Es gibt eine internationale Maultrommelgesellschaft, die alle drei bis fünf Jahre weltweit Festivals organisiert. Im sibirischen Jakutsk gibt es die Besonderheit, dass dort auch ein Wettbewerb stattfindet. Das war hochzeremoniell aufgezogen und ich war sehr skeptisch ob ich da überhaupt teilnehmen will. Ich war einer von neun Musikern, die alle ex aequo diesen Titel bekommen haben.
derStandard.at: Ist das ein besonderer Erfolg für Sie?
Paulus: Ich bin nicht aufgetreten, um diesen Titel zu bekommen. Es war einfach eine zusätzliche Möglichkeit, vor großem Publikum zu spielen. In erster Linie war es Spaß. Es war nicht der Gedanke ausschlaggebend, karrieretechnisch am Olymp des Maultrommelspielens anzukommen und dann ausgesorgt zu haben. (lacht)
derStandard.at: Was reizt Sie, ein Instrument zu spielen, das wenig Prestige hat?
Paulus: Die Maultrommel ist ein Instrument, das unterschätzt wird. Deswegen habe ich es ausgewählt. Dass es als Kinderspielzeug gilt und trotzdem so ein Universum an Möglichkeiten bietet, hat mich interessiert. Begonnen habe ich mit fünf Jahren und es hat mich von Anfang an fasziniert.
derStandard.at: Haben Sie in Österreich professionelle Konkurrenz?
Paulus: Ich kenne niemanden, der Maultrommler ist und davon leben kann. In diesem Sinne gibt es auch keine Konkurrenz. Es gibt aber eine Handvoll an Maultrommlern, die es sehr weit gebracht haben.
derStandard.at: Sind Sie hauptberuflich Musiker?
Paulus: Ja. Das Maultrommeln macht ein Drittel meines Berufslebens aus, wenn man so will. Das ist auch finanziell für mich bedeutend, weil ich viele Auftritte mache. Es gibt einige Ensembles in Österreich, die die Maultrommel als seriöses Instrument entdeckt haben und mich einladen, bei ihnen zu spielen. Dadurch ergeben sich dann wieder Auftritte neben meiner Band Hotel Palindrone. Diese Nische, die ich besetze, hilft mir als Musiker.
derStandard.at: Sie beschäftigen sich aber auch wissenschaftlich mit Musikgeschichte.
Paulus: Genauer gesagt mit Musikarcheologie oder Musikprähistorie. Ich baue vorgeschichtliche Musikinstrumente nach und komponiere Musik dazu. Ich habe auch Lehraufträge für Keltologie und Musikwissenschaften an der Uni Wien und halte Vorträge im deutschsprachigen Raum. Als finanzielles Standbein kann ich es aber nicht bezeichnen.
derStandard.at: War für Sie schon immer klar, dass Sie Musiker werden wollen?
Paulus: Ja, schon. Mit elf war es ziemlich klar. Biologe hätte mich auch sehr interessiert. Ein bisschen verbinden konnte ich es ja mit der Prähistorie der Musik, weil man da doch sehr nah mit Naturmaterialien arbeitet.
derStandard.at: Haben Sie studiert?
Paulus: Ja, Musikwissenschaft. Aber ich habe keinerlei akademische musikalische Ausbildung. Ich komme eher von der Theorie und die Praxis hat sich von allein ergeben. Ich hatte zwar immer vor, Musik zu machen, aber den Gedanken, dass ich einmal davon leben kann, den habe ich nie gehabt. Das hat sich so ergeben.
derStandard.at: Sie sind auch viel unterwegs oder?
Paulus: Ja, schon. Ich bin sehr viel auf Konzerten in ganz Europa, aber auch außerhalb. An rund hundert Abenden im Jahr stehe ich in irgendeiner Form auf der Bühne. Die entsprechenden Reisetage muss man noch dazu rechnen. Das Reisen gefällt mir sehr gut, es ist genau, was ich will. Im Moment, also im Herbst und Winter ist aber etwas ruhiger.
derStandard.at: Haben Sie jemanden, der Sie managt?
Paulus: Zum Teil. Für das Projekt Hotel Palindrone – das ist eine Folkgruppe mit Hang zum Experimentellen – haben wir eine Managerin. Ich selbst habe von Management überhaupt keine Ahnung. Ich spiele, wenn man mich fragt. Ich habe nie darüber nachgedacht, das auch zu vermarkten. Die anderen Projekte laufen über alle möglichen Institutionen wie über die Akademie der Wissenschaften.
derStandard.at: Wie würden Sie für sich als Musiker Erfolg definieren?
Paulus: Das kann ich nur an einem konkreten Beispiel sagen. Wenn ich es geschafft habe, eine Knochenflöte zu rekonstruieren und sie funktioniert, freue ich mich darüber. Das ist für mich Erfolg.
derStandard.at: Wie lange tüfteln Sie an diesen Instrumenten?
Paulus: Ganz unterschiedlich, oft ist das ganz spontan, manchmal Anfängerglück. Die nachgebauten Instrumente sind durchaus Zufallsprodukte. Es geht auch vieles schief.
derStandard.at: Dudelsack spielen Sie auch?
Paulus: Dudelsack unterrichte ich einen Tag in der Woche an der Musikschule in Favoriten. In der Band Hotel Palindrone spiele ich Dudelsack. Das ist neben der Maultrommel der zweite große Aufhänger.
derStandard.at: Der Beruf ist Ihr Hobby. Heißt das, dass Sie eigentlich ständig arbeiten?
Paulus: Da mein Beruf mein Hobby ist, kenne ich in dem Sinne keinen Beruf. Aber es stimmt, ich mache ständig Musik. Es gibt bei mir keine Trennung zwischen Beruf, Hobby, Privatleben. Auch meine Freunde sind Musiker. Alles, das nicht mit dem direkten Musikmachen zu tun hat, empfinde ich als lästige Arbeit. Das ist zum Glück nur ein kleiner Teil: Werbetexte schreiben für Veranstalter oder das Organisieren der Reisen, Termine vereinbaren, all das ist nicht mein Ding.
derStandard.at: Machen Sie auch Urlaub?
Paulus: Ja, schon, aber da nehme ich garantiert so viele Instrumente wie nur geht mit und im Endeffekt spiele ich dann auch sehr viel. Wenn es sich finanziell machen lässt, nehme ich meine Familie auch auf Konzertreisen mit. Denn ich schaffe es gerade mal zwei Wochen im Jahr konzertfrei zu halten.
derStandard.at: Was sagt der Blick in die Zukunft?
Paulus: Mir ist es wichtig, dass sich Menschen verstehen – auch über Grenzen hinweg. So klein und unbedeutend Instrumente sind – eigentlich steckt dahinter ein ganz großer Gedanke. Der Dudelsack ist so ein Instrument, es war nie staatstragend – aber eine unterschwellige Subkultur, die weltweit Verbreitung gefunden hat. Die Menschen waren dadurch auch über Jahrhunderte vernetzt, europaweit sind dieselben Melodien gespielt worden. Die Leute haben sehr viel offener gedacht, als man es sich vorstellt.
Bei der Maultrommel ist es noch extremer, sie ist weltweit verbreitet und in Subkulturen als Kultinstrument verbreitet. Gerade mit kleinen Dingen können Menschen sich kennenlernen und Vorurteile abbauen. Das Verbindende ist auch der Sinn für mich. (Marietta Türk, derStandard.at, 17.11.2011)