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Spuren am Himmel: Am Mittwoch testete Israel eine ballistische Rakete, offenbar eine Langstreckenrakete vom Typ Jericho, die auch mit Nuklearsprengkörpern bestückt werden kann.

Foto: AP/dapd/Ilan Assayag

Die Häufung von diffusen Hinweisen darauf, dass um eine Entscheidung über einen Präventivschlag gegen die Iran gerungen wird, macht die Israelis nervös. Am dramatischsten klang es bei Innenminister Eli Jischai: "Es ist besser, nicht darüber zu sprechen, wie kompliziert diese Periode ist", klagte Jischai bei einer Versammlung seiner religiösen Schass-Partei, "ich kann in der Nacht nicht einschlafen, wenn ich daran denke, was vorgeht."

Jischai gilt als Zünglein an der Waage im achtköpfigen inneren Kabinett, wo Premier Benjamin Netanjahu laut Medienberichten versucht, eine Mehrheit für einen Angriff zusammenzukratzen. Die Meinungen gehen dabei quer durch die ideologischen Lager: Die rechtsgerichteten Minister Benjamin Begin und Mosche Yaalon sollen dagegen, der eher links stehende Verteidigungsminister Ehud Barak dafür sein, während der populistische Außenminister Avigdor Lieberman angeblich schwankt. Gespalten ist auch die Öffentlichkeit: Einer Umfrage von Haaretz zufolge sind 41 Prozent der Israelis für den Angriff, 39 dagegen - und fast alle schütteln wohl den Kopf darüber, dass das existenzielle Dilemma überhaupt zum Gegenstand einer oberflächlichen Umfrage gemacht wurde.

Bedrohung für die ganze Welt

Die Regierung beschwert sich darüber, dass die Medien das Thema breittreten, heizt die Debatte aber zugleich an. "Ein nuklearer Iran wird eine schwere Bedrohung für den Nahen Osten und die ganze Welt darstellen und natürlich eine direkte Bedrohung für uns", sagte Netanjahu am Montag vor dem Parlament. Tags darauf ließ Barak aufhorchen, als er für ein größeres Verteidigungsbudget plädierte: "Es können sich Situationen ergeben, in denen Israel seine Interessen wird verteidigen müssen, ohne dass es sich auf andere Kräfte stützen kann."

Dass Israel ausgerechnet diese Woche eine ballistische Rakete testete, war wohl ein Zufall, weil solche Versuche monatelang vorbereitet werden, fiel aber auf. Kein Zufall war, dass plötzlich Bilder von einem großen gemeinsamen Manöver von israelischen und Nato-Piloten in Sardinien auftauchten - man trainierte Luftkämpfe, das Auftanken in der Luft und Langstreckeneinsätze.

Der Londoner Guardian berichtete, dass die britischen Streitkräfte Pläne für die Unterstützung der USA bei einem möglichen Schlag gegen den Iran aktualisieren. So sollen Schiffe und Unterseeboote der Royal Navy im Persischen Golf positioniert werden. Der britische Armeechef David Richards hat vor wenigen Tagen einen diskreten Besuch in Israel absolviert, Barak war am Mittwoch in London.

Kaum jemand glaubt, dass ein Angriff unmittelbar bevorstünde. Die Blicke richten sich vielmehr auf die Internationale Atomenergie-Organisation in Wien, die nächste Woche einen kritischen Bericht über Irans Atomprogramm vorlegen soll. Mit den Schreckschüssen will Israel offenbar die Weltgemeinschaft zu wirksameren Sanktionen gegen den Iran antreiben. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.11.2011)