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Kein Licht in Sicht - die Stimmung bei den Griechen ist trüb.

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Dimitris Dimitrakoudis: "Das Vertrauen, dass die politische Führung Griechenland aus dem Schlamassel führen kann, ist nicht sehr groß."

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Nachdem der griechische Premier Giorgos Papandreou das Referendum über das Rettungspaket überraschend wieder abgesagt hat, dürfte seine Regierung endgültig stürzen. Der Premierminister hat dem Drängen der bürgerlichen Opposition nachgegeben und sich mit einer Übergangsregierung einverstanden erklärt. Wie ein Referendum ausgegangen wäre und wie die Stimmung bei Griechenlands Bürgern ist, erzählt der Journalist Dimitris Dimitrakoudis im Interview.

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derStandard.at: Haben Sie Einblick in die Seele der griechischen Durchschnittsbürger? Wie ist die Stimmung?

Dimitris Dimitrakoudis: Die Stimmung in der Bevölkerung ist sehr trüb, weil die Menschen seit eineinhalb Jahren diese harten Maßnahmen mittragen. Immer nur Sparen und Sparen, aber es geht nicht aufwärts. Man hat das Gefühl, die Geldgeber setzen die Daumenschrauben an und es bleibt keine Luft mehr zum Atmen. Es zeichnet sich kein Hoffnungsschimmer ab. Das Volk empfindet das alles als ungerecht, weil man das Gefühl hat, nicht viel für die schlechte Lage zu können. Missstände, wie das Nicht-Eintreiben von Steuern oder Steuerhinterziehung sind ja vielfach ein Phänomen bei den Wohlhabenden. Und diese Schicht hat die Krise nicht sehr zu spüren bekommen bzw. sie haben ihre Bankeinlagen ins Ausland transferiert.

derStandard.at: Könnten Neuwahlen den Griechen die Hoffnung geben, dass alles besser wird?

Dimitrakoudis: Das Vertrauen, dass die politische Führung Griechenland aus dem Schlamassel führen kann, ist nicht sehr groß. So wie es jetzt aussieht, werden die Wahlen keine wesentlich bessere Situation bringen. Der einfache Bürger hofft aber schon, dass Griechenland in der Eurozone bleibt. Der Austritt aus dem Euro wäre noch katastrophaler gewesen. Da hätte man die ganzen Kredite in der eigenen Währung zahlen müssen. Es würde in der Zwischenzeit zu so einer großen Abwertung kommen, dass es unvorstellbar wäre, das jemals zurückzahlen zu können. Außerdem wären soziale Unruhen vorstellbar, weil die Wohlhaben das Land indirekt abverkaufen würden. Also eine ziemlich ausweglose Situation für die Menschen.

derStandard.at: Am Donnerstag hatte man den Eindruck, dass es in Griechenland drunter unter drüber gegangen ist. Täuscht das?

Dimitrakoudis: Es war sicher sehr turbulent, weil sich im Laufe des Tages einiges geändert hat. Man ist ja davon ausgegangen, dass es eine Volksabstimmung geben wird. Am Ende des Tages war sie wieder vom Tisch. Es wird wahrscheinlich eine Übergangsregierung der Nationalen Einheit oder der Nationalen Rettung, je nachdem wie man sie nennen wird, geben.

derStandard.at: Wie stehen die Chancen, dass diese Übergangsregierung von Ministerpräsident Papandreou angeführt wird?

Dimitrakoudis: Die Chancen sind nicht groß.

derStandard.at: Sie glauben nicht, dass Papandreou heute die Vertrauensabstimmung gewinnen wird?

Dimitrakoudis: Die wird er wahrscheinlich schon gewinnen. Aber ich glaube, die Voraussetzung, dass ihm seine eigenen Abgeordneten das Vertrauen aussprechen, ist, dass er dafür Griechenland in eine Übergangsregierung führt. Man spricht von einer Expertenregierung, die aber von einer anderen Persönlichkeit geführt werden soll. Das möchten einige Politiker, einige Parteien aber nicht.

derStandard.at: Was kann man sich unter einer Expertenregierung vorstellen?

Dimitrakoudis: Das wäre eine Regierung von Technokraten sozusagen, Persönlichkeiten, die allgemein akzeptiert werden.

derStandard.at: Neuwahlen scheinen ziemlich fix zu sein. Was werden sie bringen?

Dimitrakoudis: Die vorzeitigen Wahlen werden wahrscheinlich stattfinden. Die größte Oppositionspartei, die Neue Demokratie möchte, dass sie innerhalb von sechs Wochen stattfinden. Papandreou und seine PASOK-Partei sprechen sich für eine längere Vorbereitungszeit von ungefähr sechs Monaten aus. Man wird dazu wahrscheinlich länger brauchen und das wird auch die EU so haben wollen, weil ja jetzt wichtige Entscheidungen zu treffen sind. Die Auszahlung der sechsten Kreditrate an Griechenland, die Abstimmung der Beschlüsse von letzter Woche am Brüsseler Gipfel. Das alles braucht seine Zeit.

derStandard.at: Die Zustimmung im Parlament für diese Beschlüsse scheint ziemlich fix?

Dimitrakoudis: Ja, jetzt will auch die größte Oppositionspartei dafür stimmen. Das ist - wie Papandreou meint - auch das Ergebnis seiner Ankündigung der Volksabstimmung.

derStandard.at: Das Referendum ist ja nun vom Tisch. Würden Sie eine Schätzung wagen, wie es ausgegangen wäre?

Dimitrakoudis: Wenn es darum gegangen wäre, so wie Angela Merkel und Nicolas Sarkozy das haben wollten, dass die Griechen nur über den Verbleib in der Eurozone abgestimmt hätten, wäre es sicher mit einem Ja ausgegangen. Papandreou hat aber ursprünglich gemeint, er macht eine Volksabstimmung zum Thema zweites Hilfspaket und zu den letzten Brüsseler Beschlüssen. Da wäre sicher ein glattes Nein herauskommen. (Regina Bruckner, derStandard.at, 4.11.2011)