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Dimitris Droutsas (43) war 2010-2011 Außenminister von Griechenland im Kabinett von Giorgos Papandreou. Das nunmehrige Mitglied des EU-Parlaments war auf Einladung des Austria Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES) in Wien.

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Ein Graffiti vor dem Parlament in Athen signalisiert: "Papandreou unerwünscht". Für Ex-Außenminister Dimitri Droutsas wäre aber ein vorgezogener Urnengang keine Lösung der Misere.

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Standard: Europa war über Papandreous Pläne für eine Volksabstimmung extrem überrascht. Sie als sein Parteifreund auch?

Droutsas: Die sozialdemokratische Pasok hatte solche Ideen bereits im Wahlprogramm 2009 angekündigt. Der Ansatz ist, den Bürger stärker an Entscheidungsprozessen mitwirken zu lassen. Papandreou hatte also immer vor, das Volk bei wichtigen Reformen direkter als bisher einzubinden.

Standard: Bisher waren Referenden aber nicht gerade eine Tradition in Griechenland ...

Droutsas: Das stimmt. Das letzte Referendum fand 1974 statt: Nach der Militärdiktatur ging es um die Entscheidung Monarchie versus Republik. Nicht einmal beim EU-Beitritt 1981 gab es eine Volksabstimmung. Diesen Missstand will Papandreou ändern.

Standard: Programmatisch klingt das ja gut, bleibt aber nicht der Eindruck, dass diese Referendumsidee eher den Charakter eines Hauruck-Krisenmanagements hatte?

Droutsas: Papandreou musste so handeln. Das EU-Maßnahmenpaket vom 26. Oktober, mit dem Griechenland gut leben könnte, ist an Auflagen geknüpft und muss durch das Parlament. Die Opposition sagt aber aus strategischem Prinzip Nein zu allem. Gleichzeitig schmilzt die parlamentarische Mehrheit: Momentan kontrolliert die Regierung nur noch 152 von 300 Sitzen - und es gibt Signale dafür, dass weitere Abgeordnete abspringen, denn auch in der Pasok will so mancher Papandreou das Ruder entreißen. Der Premier sah also die massive Gefahr, das Paket nicht realisieren zu können. Daher wollte Papandreou seine Legitimierung im Volk direkt suchen. Das, was - wie Sie sagen - wie eine Hauruck-Aktion aussah, war ein Ding der Notwendigkeit.

Standard: Und warum dann nicht gleich Neuwahlen?

Droutsas: Das Land würde nach einer Neuwahl unregierbar werden, weil momentan keine Partei die absolute Mehrheit erringen kann. Leider gibt es bei uns auch keine Tradition, Koalitionsregierungen zu bilden. Oppositionführer Antonis Samaras hat gesagt, er würde so lange neu wählen lassen, bis er die absolute Mehrheit hätte. In dieser wichtigen Periode, in der die EU-Beschlüsse umgesetzt werden müssen, brauchen wir aber eine Regierung, daher sind Neuwahlen momentan kein gangbarer Weg.

Standard: Die Aufregung der EU-Regierungschefs wird in Athen aber schon verstanden?

Droutsas: Natürlich. Aber ich möchte schon darauf hinweisen, dass Papandreou schon in der Vergangenheit auf EU-Ebene immer wieder davon gesprochen hat, öfter den Weg von Referenden gehen zu wollen. Auch ist allen in Europa sehr klar, dass er unter großem innenpolitischen Druck steht und daher eine starke Initiative nötig war.

Standard: Hat Papandreou für Brüssel überhaupt noch Handschlagqualität?

Droutsas: Er hat sie noch, er wird sie auch niemals verlieren. Ich wage zu behaupten, dass Papandreou immer integer war, daher genießt er großes Ansehen. Ich verstehe natürlich die Reaktion einiger Staats- und Regierungschefs - doch ich glaube, alle haben nun verstanden, warum Papandreou so gehandelt hat.

Standard: Ist heute in Griechenland ein politisches Amt überhaupt noch erstrebenswert?

Droutsas: Wenn jemand die Macht dazu nützen möchte, um die notwendigen Reformen umzusetzen, dann ist das willkommen. Ich wage es aber zu bezweifeln, dass die meisten von diesem Gedanken beseelt sind. Und da meine ich das politische System als Ganzes, nicht nur einzelne Parteien. Hier gibt es Erneuerungsbedarf.

Standard: Würden Sie mitmachen wollen bei dieser Erneuerung?

Droutsas: Ich bin kein Berufspolitiker. Wo ich meinem Land helfen kann, werde ich es tun, aber die Politik als solche, als Institution, hat mich nie interessiert. Diese Einstellung und meine Kritik, die ich in Griechenland schon oft öffentlich eingebracht habe, haben mich bekanntlich auch meinen Job als Minister gekostet. Ich beobachte aber mit Genugtuung, dass Inhalte meiner Kritik am politischen System mehr und mehr Anklang finden. Ich hoffe, dass eine neue, junge Politikergeneration den Weg der Aufrichtigkeit gehen und das Vertrauen der Bevölkerung wiederfinden wird.(DER STANDARD Printausgabe/5.11.2011)