Innsbruck - Am 19. September 1991 stieß das deutsche Ehepaar Erika und Helmut Simon in 3.210 Metern Höhe im Bereich des Tisenjochs auf eine 5.300 Jahre alte Leiche aus der Jungsteinzeit ... und die hält seitdem vor allem die mitteleuropäische Archäologie auf Trab. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder "Ötzis" Todesursache, die doch längst geklärt schien.

Denn der bis heute als Ursache geltende Pfeilschuss ist es vielleicht doch nicht gewesen: Spekuliert wird, ob "Ötzi" nicht doch bei einem schlichten Bergunglück ums Leben kam. Ein neuerliches "Sreening und Mapping" des Körpers soll nun Aufschluss bringen, berichtete das deutsche Nachrichtenmagazin "Focus" laut Vorabmeldung vom Wochenende.

Indizien

Den Forschungsergebnissen von Karl-Heinz Künzel und Wolfgang Recheis von der Medizinischen Universität Innsbruck zufolge weise "Ötzis" Leiche "einen knöchernen Einriss mit Aufgehen einer Schädelnaht und eine gelbliche Verfärbung des Augapfels auf, die als indirekte Blutspur zu interpretieren sei". Würde der Eismann also bei einem Bergunfall seinen Tod gefunden haben, könnte die berühmte Pfeilwunde von einem früheren Angriff herrühren.

Erst Mitte Oktober war bekanntgeworden, dass "Ötzi" sich kurz vor seinem Tod ein stark blutendes Cut mit einer Fraktur im Bereich der rechten Augenhöhle kombiniert mit einer Einblutung im Augapfel (Augapfelprellung) zugezogen hatte. "Dieses Verletzungsmuster kann auch unabhängig von Fremdeinwirkung, wie Pfeilschussverletzung oder Kampf beispielsweise durch einen Sturz im unwegsamen Gelände unter Berücksichtigung von Extrembedingungen im Hochgebirge tödlich enden", hatte Künzel von der Division für klinisch funktionelle Anatomie seine Forschungsergebnisse damals erläutert.

Im Zuge des zweiten Mumienkongress in Bozen am 22. und 23. Oktober bestätigten nanotechnologische Untersuchungen einer Gehirnprobe ein Schädel-Hirn-Trauma. "Dieses allein hätte bereits tödlich sein können, hat sicherlich aber neben der Schussverletzung zum Tode beigetragen", teilten Wissenschafter der Ludwig-Maximilian Universität in München ihre Erkenntnisse mit. Ungeklärt blieb die Frage, die viele am brennendsten intressiert - nämlich ob sich der Eismann das Trauma durch einen Sturz oder durch einen Schlag auf den Kopf zugezogen hatte.

Steinzeitlicher Alltag

Mindestens so interessant wie dieser individuelle "Kriminalfall" sind aber die Aufschlüsse über die allgemeine Lebensweise zu Zeiten "Ötzis", die aus der Ausrüstung der Gletscherleiche gewonnen werden können. Der Biochemiker Klaus Hollemeyer von der Universität des Saarlandes hat im Rahmen des zweiten Eismumienkongresses päsentiert, was er über die Kleidung des Steinzeitmenschen in Erfahrung gebracht hat.

In seiner Arbeit konnte er unter anderem nachweisen, dass für die Herstellung der Beinkleidung auch Felle von Hunden oder mit Hunden verwandten Tieren verwendet wurde. "Ob es sich dabei um Wolf, Hund oder Rotfuchs handelt, lässt sich aber nicht mehr feststellen", sagt Hollemeyer. Widerlegen konnte der Saarbrücker Forscher aber die Annahme, dass die Schuhsohlen des Steinzeitmenschen aus Bärenfell seien. "Hier handelt es sich um Rind", ergänzt der Saar-Forscher. Rinderfell befände sich zudem an der Schließe des Köchers, von der man bislang annahm, dass sie aus Gamsfell bestehe. Außerdem ist es dem Biochemiker gelungen, Fellstücke von Schaf und Gämse in Ötzis Mantel aufzuspüren. Bislang galt die Annahme, dass der Mantel aus Ziegenfell hergestellt wurde.

Mit seinen Ergebnissen hilft der Biochemiker die Lebensumstände "Ötzis" näher zu beleuchten. Derzeit vermuten Experten, dass der Steinzeitmensch Angehöriger einer Bauern- und Viehzuchtgesellschaft und nicht einer Jäger- und Sammlergesellschaft war, wie man lange Zeit dachte. (red)