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Leopard-Panzer des Bundesheeres: Die niederländische Armee hat ihre baugleichen Geräte ausgemustert, Österreich will seine Panzerflotte verkleinern.

Foto: AP Photo/Ronald Zak

Wien - Österreichs Bundesheer ist mit seinen Sparzwängen in guter Gesellschaft: Alle EU-Staaten sind derzeit gezwungen, ihre Verteidigungsetats zurückzuschrauben - "Schuldenabbau ist sicher dringender, als ob man 200 Panzer hat oder eben nicht hat", sagt Christian Mölling, Rüstungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, im Gespräch mit dem Standard.

Nicht dass gespart wird, sondern wie gespart wird, kritisiert der Wissenschafter: "Bei den Haushaltsverhandlungen von 2009/2010 hat man immer gesagt, man müsse das Fett wegschneiden - tatsächlich hat man aber in die Muskeln geschnitten und teilweise sogar das Skelett erwischt. Und dennoch sind Fettpolster geblieben." Zu diesen zählt Mölling unter anderem die Eurofighter - "die waren eine spezifische Antwort auf eine spezifische russische Bedrohung", dass man weiterhin an dem Programm festhalte, binde Mittel, die an anderen Stellen fehlen. Dafür werde andernorts radikal gespart - mit Folgen, die bis zur Forschungspolitik reichen: "Wir verlieren die technologische Führerschaft."

Zwar biete die Flugzeugindustrie Hochtechnologie-Arbeitsplätze, in anderen Bereichen der Rüstungsforschung aber könne Europa nicht mehr mithalten. Selbst familiengeführte Rüstungsunternehmen wie Krauss-Maffei-Wegmann verlagerten derzeit ihre Standorte auf andere Kontinente: "Europa erlebt einen rüstungsindustriellen Exodus."

Der Experte, der in der Vorwoche auf Einladung des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik in Wien war, nennt als Beispiel die Niederlande, die als Kunde ausfallen. Die Niederländer haben auf einen Schlag ihre Panzerflotte abgebaut - sie verlassen sich darauf, dass im Fall eines bewaffneten Konflikts die Deutschen oder die Franzosen mit ihren Panzerflotten bereitstehen würden. Dies sei aber nicht koordiniert worden.

Gerade unter Sparzwängen wäre internationale Rüstungskooperation wichtig, sonst verliere Europa seine Verteidigungs- und Interventionsfähigkeit. Selbst ein Wiederaufflammen des Kosovokonflikts sei von den Europäern nur schwer allein in den Griff zu bekommen.

Das Problem sei, dass die europäische Politik die Militärfragen nicht ernst genug nehme: "Da braucht man immer ein Bedrohungsbild" - und von dem ist wenig zu sehen. Europa müsse sich vielmehr fragen, was es militärisch können will. Bei der Intervention in Libyen hätte sich die Überlegenheit der Amerikaner bei Aufklärungs- und Führungsmitteln gezeigt, gleichzeitig seien die Kollateralschäden minimiert worden. Damit seien Standards gesetzt worden, hinter die man nicht mehr zurückgehen sollte.

Mölling regt an, dass die europäischen Staaten ihre Rüstungs- und Militärpolitik stärker koordinieren, sonst gäbe es in der EU bald 26 Bonsai-Armeen, von denen keine mehr ihre Verteidigungsaufgaben allein bewältigen kann, die aber auch nicht mehr die Struktur für eine Kooperation hätten. (Conrad Seid, DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2011)