Matthias Mayr zieht eine Linie in Haines, Alaska. "Im richtigen Moment muss man ruhig und konzentriert bleiben."

Foto: Gulsvik

Wien - Natürlich muss man sich die Eiseskälte am Berg und den Höllenlärm noch dazudenken, das Knattern der Rotorblätter, die den frischen Pulverschnee auf dem Grat mächtig aufwirbeln und den blauen Himmel mit weißen Schlieren verdunkeln. Aber auch so hört sich die Geschichte aus Alaska gut an. "Wir haben nicht einmal gewusst, ob wir da aussteigen können", sagt Matthias Mayr. "Links geht eine Wand 300 Meter senkrecht runter. Rechts auch. Keiner sagt dir, ob diese Schneewechte hält. Und dann springst du einfach mit deinen Skiern aus dem Helikopter raus."

Mit diesen Bildern aus beeindruckender Natur, die Freiheit, Gefahr und Leichtsinn gleichermaßen suggerieren, verdient der 30-jährige Freeski-Profi aus Dross in der Nähe von Krems sein Geld. Sponsoren ermöglichen ihm, das als Beruf zu tun, was er sonst weniger professionell in seiner Freizeit getan hätte. Dafür werden die Geldgeber mit atemberaubenden Tiefschnee-Abfahrten beglückt, während deren ihre Produkte ins rechte Licht gerückt werden.

Auf der Leinwand

A History Of Snow heißt der neue Film, den Mayr in Eigenregie wieder mit Matthias Haunholder produziert hat. Erstmals wurde auch in Alaska gedreht. Als Wahnwitz will Mayr sein Tun in unbekanntem Terrain im Freeride-Paradies von Haines aber nicht abgetan wissen. "Das ist eine Mischung aus Erfahrung und Selbsteinschätzung. Aber mental ist es das Schwierigste: Irgendwo in der Wildnis zu stehen und keine hundertprozentige Sicherheit darüber zu haben, dass deine ausgesuchte Linie auch hält."

Mit weiteren Profis ließ sich Mayr auch im japanischen Niseko Hanazono, in Chamonix, Sotschi, Verbier, Sankt Moritz, Fieberbrunn und am Großglockner filmen. Die 43-Minuten-Produktion kostete nicht einmal 80. 000 Euro. Mayr: "Low Budget ist eine Untertreibung." Der teuerste Posten war der Helikopter in Alaska, für 60 Minuten werden 2800 Dollar fällig, während des 23-tägigen Aufenthalts wurde nur fünf Stunden lang gedreht. "Sobald der Pilot den Joystick angreift, läuft der Taxameter schon. Und er wird erst gestoppt, wenn er ihn wieder auslässt."

Der zweite Hauptproduzent des Films, der 31-jährige Tiroler Matthias Haunholder, stillt neben Dreharbeiten und Fotoshootings seine Sehnsucht nach Pulverschnee auch auf der Freeride World Tour. Diese vereint seit 2008 die besten Profis der Welt, auch 2012 ist Österreich mit einem Stopp in Fieberbrunn im Kalender vertreten. Die Freerider werden dabei von einer Jury beobachtet, die die spektakulärsten Abfahrten und Sprünge bewertet.

2009 gewann Haunholder als erster deutschsprachiger Athlet den Tourstopp in Tignes, in der Gesamtwertung 2011 belegte der Walchseer als zweitbester Österreicher hinter dem Salzburger Stefan Häusl (4.) Platz zwölf.

Internationales Interesse

Das Interesse an den Abenteuern der Freeski-Profis ist jedenfalls riesig. "Weil auch die Hobby-Skifahrer Sehnsucht nach unberührten Hängen bekommen", sagt Haunholder. So war eine Kino-Vorführung von A History Of Snow in Hamburg zweimal ausverkauft. "Wir haben Deutsche kennengelernt, die sich am Freitag zehn Stunden lang ins Auto setzen. Am Samstag gehen sie in Tirol Freeriden. Und am Sonntag fahren sie zehn Stunden zurück."

Am Freitag wird der Film als einer von fünf österreichischen Produktionen beim zweiten "Freeski Film Festival" im Wiener Wuk gezeigt. Neben Aufnahmen aus Indien oder Argentinien wird mit Check Your Risk auch ein Lehrfilm präsentiert, der sich mit Lawinengefahren auseinandersetzt. Der Tiroler Snowboarder Mitch Tölderer, Freeride-Weltmeister 2011, zeigt, wie sich Profis auf einen Tag im Gelände vorbereiten. "Wir Freerider sind keine Wahnsinnigen", sagt Mayr. Da muss man sich nichts mehr dazudenken. (DER STANDARD Printausgabe, 7. November 2011)