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"Madonna" fragt: Wie sexy ist Macht?

Montage, Foto: APA/PHILIPP SCHALBER

In "Madonna", dem Frauenmagazin der Familie Fellner, wurde vorige Woche wieder einmal die schon öfter gestellte Frage aufgeworfen: Wie sexy ist Macht? ... und warum Frauen sich von mächtigen Männern angezogen fühlen. Das nicht ganz neue Problem wurde anhand von Frauenschicksalen in der Umgebung von Diktatoren- und Terroristensöhnen sowie von politischen und wirtschaftlichen Hochstaplern des Auslandes abgehandelt, also entweder von Trägern bloß abgeleiteter Macht oder von solchen, die ihre Macht längst an ihre Gefängniswärter abgegeben haben oder dies bald tun könnten.

Ob Beispiele wie die Söhne Gaddafis und Osama Bin Ladens, Silvio Berlusconi und Bernard Madoff geeignet sind, die einschlägige Fantasie der Leserinnen von "Madonna" anzuregen, muss offenbleiben, erscheint die Auswahl doch einigermaßen an den Haaren herbeigezogen, wenn man an das Angebot denkt, das die heimische Scholle für eine Frau bereithält, die offen ist, sich von mächtigen Männern angezogen zu fühlen.

Als Beispiel, das sich in diesen Tagen aufdrängt, wäre da Fritz Neugebauer zu nennen, dessen nie versiegende Energie mit der Ankündigung, weitermachen zu wollen wie bisher, und dem vollmundigen Versprechen, das Feuer lodere noch in ihm, frappant an die des italienischen Ministerpräsidenten erinnert. Einschlägige Epitheta, die ihm daraufhin in den Medien verliehen wurden, festigten diesen Ruf. Aber erst der "Presse am Sonntag" blieb es vorbehalten, die unfassbare Erotik der Macht, wie "Madonna" sie etwas plump zu fassen versucht hatte, in jene Worte zu kleiden, die den österreichischen Verhältnissen auf dem Gebiet der Erotik angemessen sind. Sie sprach den Dominus der Beamtengewerkschaft als Hofrat Hemmungslos an, und als wäre das allein nicht geeignet, Frauenherzen zum Lodern zu bringen, als Draufgabe auch noch als Mann mit der eisernen Faust.

Im Unterschied zu den Absteigern, die in "Madonna" als Beispiele herhalten sollten, warum Frauen sich von mächtigen Männern angezogen fühlen, hat der Hofrat Hemmungslos seine besten Jahre noch vor sich, weiß doch "Die Presse": Dass Neugebauer beim Bundeskongress der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) in der kommenden Woche ein Ergebnis einfahren wird, das selbst geübten Diktatoren schmeicheln würde, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Wenn die Gehaltsverhandlungen dann auch noch Fellners Formel Geld und Macht =Sex bestätigen, dann könnte "Die Presse" mit ihrer Analyse recht behalten: Die Herzen der Beamtenschaft fliegen ihrem obersten Lobbyisten auch nicht grundlos zu. Warum das Blatt an der Vorbildlichkeit des Mannes mit der eisernen Faust, die selbst geübten Diktatoren schmeicheln würde, dann dennoch etwas zu benörgeln hat - wer soll das verstehen? Fritz Neugebauer hätte das Zeug zum Vorbild - wenn er nur wollte. Er selber hat jedenfalls nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sich die unfassbare Erotik der Macht von einem "Presse"-Redakteur nicht vermiesen zu lassen gedenkt, solange er Vorbild genug ist, um beim Bundeskongress seiner Gewerkschaft ein Ergebnis einzufahren, das selbst Diktatoren schmeicheln würde.

Diktatorenschicksale, wie sie in unseren Tagen sich ereignen, können ihn da nicht schrecken. Umso weniger als sie oft ungerecht sind, wenn man Frauen glaubt, die sich von mächtigen Männern angezogen fühlen. So gab die von "Madonna" in einem Fall benannte Zeugin in einem exklusiven Gespräch beziehungsweise im Talk auf die Frage Wie haben Sie die gesamte Familie Gaddafi erlebt? offenherzig zu Protokoll: Die Gaddafis waren nie so, wie sie dargestellt wurden. Ich habe einfach normale Menschen getroffen.

Das klingt ehrlich, wenn man berücksichtigt, was der Dame aus ihrer Beziehung in schöner Erinnerung geblieben ist: Wunderbare Urlaube an der Amalfi-Küste und in St. Tropez. Da rastete bei "Madonna" aber kritischer Journalismus ein! Die unreflektierten Aussagen des schauspielernden Topmodels zeugen von einer gewissen Hörigkeit. Der Hörigkeit von Macht, Geld und Einfluss, der schon viele Schönheiten vor ihr erlegen sind. Da kann eine Schönheit noch so sehr Obacht geben, erlegen ist man rasch. Wie es einmal dem Womanizer Silvio Berlusconi passiert ist: Das damals minderjährige Callgirl Ruby war nur der Tropfen auf den heißen Stein. Leider verhinderte nicht einmal die unfassbare Erotik der Macht, dass er auch noch das Fass zum Überlaufen brachte. (Günter Traxler/DER STANDARD Printausgabe, 8.11. 2011)